TBILISI

 

8:45 Uhr stehe ich wieder vor der Tür des roten Lokals: Die Rolläden sind unten, von Pechmarie keine Spur. Um die Ecke ist eine Kneipe offen. Es ist ein Männerlokal, wo man zum Frühstück Bier und Wodka kippt und einen großen Napf heiße Suppe in sich hinein schüttet. Aber ein Khatchapuri wird auch noch aufgetrieben und was soll ich die Nescafe-Plörre trinken, wenn mir der strahlende Wirt doch einen starken türkischen Mokka zelebrieren kann! In einer Ecke hocken drei Herren, den Tisch voller Überbleibseln von Mahlzeiten und Spirituosen. Bewegungen und Sprache sind verlangsamt, nur der Alkohol fließt schnell. Die Servietten aus Recycling-Papier sind genauso hart wie das Toilettenkrepppapier. Ein Ort für echte Kerle.

„Wieso bist du in Georgien?“ Eine Frage, die mir alle Reisenden, die ich treffe, stelle und die ich genauso oft erwiedere. Im März gibt es kaum Leute, die neugierig auf Georgien sind. In Tbilisi, bei Irena, treffe ich einige. Irena holt sich die Welt in ihr Haus. In der Ninoshvili Straße, unweit der Metro-Station Marjanishvili, hat sie ihre Wohnung im Obergeschoss eines dreistöckigen von kaputten Steinlöwen bewachten Haus ausgebaut und so viele Betten in alle verfügbaren Zimmer gestopft, wie zwischen die alten prachtvollen Möbelstücke passen. Herzlich werden alle BesucherInnen im mit Fahnen aus aller Herren Länder drapierten Eingangsbereich willkommen geheißen. Man darf die Küche zum Tee- und Kaffeekochen nutzen und teilt sich mit dem Familienrest das Bad. Wobei einem nie ganz klar ist, wer eigentlich zur Familie gehört und wer nur zeitweilig in Irenas offenen Armen Unterschlupf gefunden hat. Außer der Opa, der entweder im Schaffell-Sessel in der Küche vor dem Fernseher hockt, durch die Wohnung schlurft oder auf dem Klo eine Zigarette raucht – wie die Asche in der Badewanne und die dicke Luft bezeugen. Hier treffe ich Alan und Dawn aus England und Amerika, die als Lehrkräfte in Kirgisien arbeiten und ihre Osterferien zu einem Kurztripp nutzen, eine Kleingruppe junger UngarInnen, die durch die Türkei kommend in Interrailmanier überall nur kurz Station machen und mir eine Orange schenken, eine Großgruppe AmerikanerInnen, die Schlangen vor Bad und Toilette entstehen lassen und Holger, einen Kölner Kunstlehrer, den die Freundschaft zu georgischen Kunsthistorikern immer wieder nach Tbilisi zieht. Irena kümmert sich um alle, gibt ihren PC zum Mailverschicken frei, weckt einen um 2:00 in der Nacht für die Fahrt zum Flughafen, trällert georgische Lieder, hüpft mit iher kleinen Kamera hinter jedem Gast her und verzaubert alle mit ihrer Gastfreundlichkeit.