Wandersommer 2025 – Nach den Touren

24. September 2025

 

 

5 Hüttentouren in den Alpen

2 alleine, 3 mit Freundinnen

3 in Österreich, 1 in Frankreich, 1 in Slowenien

diverse Höhenmeter und Kilometer

Zweibettzimmer und viele Lagerbetten

Knäckebrot, Delikatesspaste, salzige Nüsse, Müsli und Nescafé

4 Touren mit Umbuchungen, 1 Tour ohne

3 Tage mit Regen

2 verlorene Käppis

3 x blauer, 2 x lila Rucksack

3 x Höhenangst

1 x Lochklo draußen

1 x warme Dusche

 

und viel zum Nachsinnieren.

 

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Ich habe immer mal wieder kleine oder auch größere Hüttentouren (1998 GTA, 2022 Panoramaweg Südalpen) gemacht, aber ich hatte das Gefühl, viel mehr in den östlicheren Gebirgen unterwegs zu sein als in den Bergen vor der Haustür. Und das wollte ich diesen Sommer ändern. Ich hatte ein bisschen Geld in den Taschen und flexible Zeit und freute mich total auf tolle Bergerlebnisse.

 

Die Realität hat mich ein bisschen ernüchtert.

 

Die Alpen sind großartig. Bzw. sie könnten großartig sein. Was mich stört: es kommt kein Gefühl von weiter Natur auf. Immer sind Straßen in der Nähe, Dörfer die größer sind als ein paar Häuser am Hang, Bergbahnen und viele Menschen. In manchen Gebieten hatte mich das vorher schon gestört (z.B. Kaisergebirge), in anderen war es mir nicht so wirklich bewusst gewesen. Ich suchte Bergeinsamkeit – und fand Bergtrubel. Das lag u.a. daran, dass die Berge stetig und in den letzten Jahren besonders immer beliebter wurden (neben dass die Alpen sowieso ziemlich durchgebaut sind mit Straßen und Orten). Damals war es mir immer ein Anliegen, dass mehr Leute die Berge erleben. Jetzt scheinen es mir eher zu viele zu sein.

 

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Es gibt Entwicklungen in den Bergen, die das wohl auch fördern. Werbebemühungen, Ausrüstungshype, Outdoorgewese – und gleichzeitig die immer größer werdende Bequemlichkeit und Komfort bei den Übernachtungen. Jetzt können auch Leute gehen, die nicht ohne tägliche warme Dusche existieren wollen. Jetzt können auch Leute gehen, die sich von nervigen Schnarchern abkapseln und in eigene Zimmer legen können. Jetzt können auch Leute gehen, die schwierigere Passagen und viele Höhenmeter per Seilbahn überwinden können. Jetzt können auch Leute gehen, die kein eigenes Essen von daheim mitnehmen wollen. Jetzt waren diese ganzen Leute unterwegs, die ich mir damals gewünscht hatte. Nein, es waren nicht nur diese, es waren einfach viel viel mehr.

 

Ganz damals konnten sich nur reichere Leute leisten, in den Bergen aus Spaß herumzuspazieren, die anderen mussten dort arbeiten oder konnten es sich sowieso nicht leisten. Mit den Hütten und den Vereinen sollte es für viele Menschen erschwinglicher werden und mir schien, dass man vor 20 Jahren oder so mehr „Gleichere“ traf. Dieses Jahr hatte ich das Gefühl, mich doch in einer elitäreren Gesellschaft wiederzufinden. Die Berge sind – trotz Verein – teuer geworden. Die Hütten müssen Auflagen, Investitionen und gestiegene Kosten wirtschaftlich stemmen. Das können sie nicht bewältigen, wenn man nur ein minimales Angebot wahrnimmt. Also drängen sie mit größeren Konsumangeboten. Manche mehr, manche weniger. Und es gibt viele, die sich das einfach so leisten können – und wollen. Dann sitze ich manchmal daneben und fühle mich arm. Einerseits. Andererseits will ich es ja aber auch nicht anders, ich will es gerne spartanisch. Damit sich das Hüttenleben in der Natur noch mehr von meinem Alltagsleben unterscheidet. Damit ich mich noch mehr freue auf das, was ich in der Zeit entbehrt habe. Und damit ich mich auch noch mehr in der Natur fühle. Durch die Hütten und die nahe Zivilisation bin ich es ja nicht wirklich, aber ich habe so einen Grat, der für mich gut passt. Und auf dem ich mir aber ein bisschen alleine vorkomme. Als ob so viele einen anderen Grat haben.

 

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Mit diesen ganzen Menschen und der Wirtschaftlichkeit und der Vorausplanungssicherheit und überhaupt – werden die Hüttenreservierungen oftmals wie verrückt gestürmt und es ist arg schwierig, wenn man:

  • spontaner etwas sucht
  • währenddessen umdisponieren möchte (Körper, Wetter, Sonstiges sind nicht so wie geplant)
  • sich lieber nach dem Wohlfühlprinzip vorwärts bewegt
  • die Freiheit der Nicht-Planung schätzt

Früher war ein Liegeplatz auf der Hütten garantiert. heute dürfen sie einen fortschicken, wenn man nicht in großer Not ist.Ich mochte dieses Ungewisse. Aber ich sehe auch ein, dass diese Menschenmengen anders bewältigt werden müssen. Und Hütten eher wie Wirtschaftsbetriebe planen und kalkulieren. Aber ich weine ein bisschen den früheren Zeiten hinterher.

 

Meine allererste richtige Hüttentour war – abgesehen von einigen Jugendherbergstouren –  der Overland Track in Tasmanien. Man nahm alles mit, legte seine 1-2 mm Isomatte auf harte Bretter, kochte auf Feuerholz und war in der Wildnis. Die nächste Tour auf Korsika bot mir Selbstversorgerhütten mit dickeren Schaumstoffmatten und Gaskochern. Und danach fiel ich um, als ich das erste Mal auf einer Alpenvereinshütte war: Getränke in Flaschen, gekochtes Abendessen, Klo im Gebäude – ich fand den Luxus tatsächlich abschreckend. Aber dann gewöhnte ich mich daran, dass es eben so ist wie es ist. Und war vermehrt in Asien unterwegs. Dafür schämte ich mich etwas, immer so weit fort mein Bergglück zu suchen und das vor der Haustür zu verschmähen. Nach diesem Sommer muss ich sagen: ich werde lieber wieder in die Ferne ziehen.

 

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Trotzdem möchte ich diesen Sommer natürlich nicht missen. Es hat viele feine Bergmomente gegeben. Es war schön, mit Freundinnen (Berg)Zeit zu verbringen. Ich konnte interessante Podcasts hören und mich von Motivational Music nach oben tragen lassen. Es gab neue Erfahrungen und Begegnungen. Mein Herz hat auch manchmal vor Freude gehüpft. Ich mag die Unterschiede in den Gegenden, die verschiedenen Gerüche, Sprachen, Pflanzen, Steine. Der Sommer hat mein Leben bereichert. Und jetzt weiß ich definitiv mehr als vorher.