Bishkek – hässliche Stadt, kleine Gefühle und nette Menschen

27. – 30. Juni 2023

 

 

Nach etwas über einem Jahr bin ich wieder in Bishkek gelandet und es ist ganz anders als zuvor. Damals war es grau und kühl, diesmal schien heiße Sonne. Damals kam ich frisch aus Deutschland, diesmal kam ich bisschen verbraucht aus Georgien. Damals war alles neu, diesmal kannte ich es schon. Damals wurde ich abgeholt, diesmal schlug ich mich allein durch.

 

Aber bereits am Flughafen traf ich auf eine obernette Frau, die mir nicht nur 1 SIM-Karte verkaufte sondern auch mit den Taxi-Apps half. Es ist ein bisschen verzwickt, Yandex, die gängigste App funktioniert nicht auf meinem iPhone. Das war auch schon in Georgien so. Ich vermute politische Hintergründe von Apple, da Yandex russisch ist. Oder mein Handy doof. Eine lokale App hatte keine Taxen am Flughafen. Eine weitere lokale App hatte, aber es ist mühselig, da alles nur auf kyrillisch ist. Ich rate eher, ob meine Fahrtzieleingabe korrekt ist. Und der Fahrer kontaktierte mich gleich per Telefon, welches ich lieber an die Telefondame weitergab. Draußen sah ich ihn nicht, es gab ein weiteres Telefonat mit herumstehenden Herren. Und dann kam er auch schon angeeilt – und sprach gutes englisch….

 

Die Fahrt ist ein bisschen länger vom Flughafen in die Stadt. Er erzählte, er habe eine kirgisische Freundin, die aber in München lebt und er überlegt, ihr nachzusiedeln. Aber deutsch ist ganz schön schwer. Ja. Aber das Leben hier ist auch schwer. Wie schaut es denn mit Russland aus? Er druckste bisschen rum: keine Proteste an Hauswänden, keine Demos. Aber die männlichen Kirgisen, die in Russland leben, fürchten zum Militär zu müssen. Jedenfalls alles bisschen sehr doof. Preise steigen auch.

 

Beim vorherigen Besuch war ich aus Versehen im berühmten Osh Bazar an dem Tag, wo das Meiste geschlossen hatte. Also musste ich diesmal nochmal hin. Dort gibt es viel bzw. eigentlich alles auf einem großen Gelände, teilweise in Gebäuden, teilweise an Gebäuden, teilweise auf der Straße. Ich guckte es mir an – und stellte fest, dass ich wohl zur Minderheit von Menschen gehöre, für die ein Marktbesuch auf einer Reise kein Highlight ist. Mich überfordern diese ganzen Waren und Käufe und ich staune eigentlich eher nur, was für Unmengen es an Dingen gibt.

 

Osh Bazar

 

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Danach ging ich durch die Innenstadt und dachte nach. Es ist sehr geräumig und weitläufig, die Straßen sehr breit, der Platz zwischen den Gebäuden auch und die Gebäude oftmals massig. Ich fühle mich da sehr klein. Eigentlich ähnlich wie in den Bergen, wo ich nur ein winziges Pünktchen zwischen den hoch aufragenden Bergspitzen und weiten Almen bin. Aber es ist ein anderes Klein-Gefühl – in den Bergen bin ich gerne unbedeutend in der mächtigen Natur. In der Stadt habe ich das Gefühl, dass mir „jemand“ mit der Architektur dieses Klein-Gefühl aufdrücken möchte. Das mag ich nicht. Allerdings sprach ich dann mit einer aus St. Petersburg, die in der hiesigen Stadtweite sich eher frei und luftig fühlt. So unterschiedlich wirkt sich Stadtarchitektur aus.

 

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Ich besuchte auch das erste Mal den Platz des Sieges. Das Monument wurde zum 40. Jahrestag zum Sieg über Deutschland 1985 errichtet. Eine Frau steht in einer symbolisierten Jurte und wartet auf ihren Soldatenmann und evtl. -sohn. Eine ewige Flamme brennt vor ihr. Hier werden gerne Hochzeitsphotos gemacht.

 

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Die ersten 2 Nächte war ich im Guesthouse, die 2. beiden bei einer Couchsurferin aus St. Petersburg. Wir sprachen u.a. über Bishkek und Tbilisi (sie liebt Tbilisi). Sie findet Bishkek die hässlichste Stadt in der sie je war. Und sie war in vielen. Ich schließe mich ihr an. Ich bin herumgelaufen und es war ein großer großer Kontrast zu Tbilisi. Dort war ich angerührt von der Schönheit, hier war ich traurig angerührt ob der Hässlichkeit. Hier ein paar Bilder:

 

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Was hier aber absolut positiv sind, sind meine Menschenbegegnungen! Am 1. Abend ging ich allein in eine Lokal und eine andere alleinige einheimische Gästin bat mich an ihren Tisch zur Gesellschaft. Sie arbeitet seit 2 Monaten in einem Hostel und es gefällt ihr sehr gut. Immer alles ausgebucht. Wir plauderten noch ein bisschen weiteres.

 

Ich ging in eine Buchhandlung und kam ins Gespräch mit der Besitzerin. Sie führt nur englische Bücher, weil als sie damals englisch lernte es zu wenig gab. Aber es ist nicht einfach, zu wenig Kundschaft. Aber sie war zur Buchmesse in Frankfurt eingeladen worden. Das war toll. Ihr gefallen kleine spezialisierte Buchläden sehr gut. Bei ihr gehen tatsächlich diese Selbsthilfe-Ratgeber sehr gut. Wir waren uns dann aber einig, dass diese am meisten den AutorInnen helfen, die damit recht gut verdienen. Und statt dass die Menschheit glücklicher und erfolgreicher wird, gibt es immer nur noch mehr Ratgeber. Ich fragte sie nach einheimischen AutorInnen, die ins englische übersetzt sind. Den allseits bekannten Tschengiz Aitmatov hat sie nicht – und ansonsten nur 3 Bücher. Es gibt wenige kirgisische AutorInnen und diese werden wenig übersetzt. Das eine erscheint mir aber sehr interessant und ich kaufte es: Arhat von Kazat Akmatov. Eine Verbindung von Kyrgyzstan und tibetischen Buddhismus. Erster Leseeindruck ist sehr gut.

 

Dann habe ich auch Askat getroffen mit dem wir im August eine Entdeckertour machen werden. Das war lustig, aber er hat gerade nicht so viel Zeit, weil er als Guide arbeitet. An dem Abend hatte er mit einem Kollegen eine 30- oder 40köpfige Gruppe aus Indien und war mit denen in einem ausgesprochen toll eingerichteten Lokal.

 

2 Nächte war ich also bei Olga zum Couchsurfen und staunte nicht schlecht. Sie hat ein Zimmer in einem Haus, welches ein russisches Paar mit Kind gemietet hat und wo noch weitere Leute wohnen. Alles Geflüchtete aus Russland die nicht einverstanden sind. Ich bin selten ein so willkommendes Haus gekommen. Man tritt ein und fühlt sich sofort wohl. Alles sehr nett eingerichtet und auf Gäste ausgerichtet und liebevoll organisiert. Allerdings haben sie Probleme. Sie haben hier auch ein Kulturzentrum gestartet, aber dem Staat war das zu kritisch mit Russland und ihnen wurden Aktivitäten verboten. Kirgistan ist zu russlandfreundlich/-abhängig. Schwierig schwierig. Olga ist ins Filmgeschäft eingestiegen, das gefällt ihr einerseits supergut und ist genau das richtige. Allerdings wurde sie in Russland damit auch schon staatsauffällig und ist dann lieber gegangen. Aber bleiben will sie hier nicht. Hässlichste Stadt und so.

 

Ich habe noch viel mehr erfahren und wir haben uns gut ausgetauscht, aber das muss ich hier ja nicht alles beschreiben. Jedenfalls habe ich mich sehr gefreut, diesen kleinen zusätzlichen Einblick zu bekommen. Und so beschließe ich diesen post mit fröhlichen Mädchen in den städtischen Wasseranlagen.

 

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Ich muss hier sowieso noch öfters her, dann kann ich noch mehr Eindrücke sammeln und teilen. Aber jetzt geht es erstmal Richtung Berge. Da wartet ein kleiner Trek auf mich, den zwar viele machen, aber der auch superschön sein soll. Und das muss ich doch austesten.