Glücklicherweise schaute der Himmel am Morgen in Poti nicht mehr ganz so trüb aus. Der Mann von der Unterkunft war sehr nett und fuhr mich zum Minibus und schaute, dass ich gut wegkomme. Hauptsächlich bewegt man sich hier mit Marshrutkas/Minibussen durch das Land – die fahren mehr oder weniger pünktlich oder wenn sie voll sind los. Die erste Marshrutka fuhr ziemlich leer nach Kutaisi, wo ich wechseln musste. Diese wartete dann aber, bis auch der letzte Platz besetzt war. Manchmal steht das Fahrziel in lateinischer Schrift dran, manchmal nicht. Aber meistens frage ich sowieso damit ich dann auch ganz sicher im richtigen Fahrzeug sitze. Kosten tut es nicht viel, heute waren es etwas über 10 Euro für 230 km, für die ich inkl. Wechselwartezeit ca. 5 Std. brauchte. Die Straßen sind bisher gut.
Borjomi ist ein touristisches Reiseziel. Das konnte man auch daran sehen, dass an der Straße diverse Souvenirstände und Lokale waren. Es würde grüner und hügeliger. Wir hielten an einem Lokal. Ich hatte nur kurz reingeschaut, mich über fertig gedeckte Tische gewundert (kaum nicht zum Fragen, werde ich noch herausfinden) und mich ein wenig echauffiert, dass das Klo Eintritt kostete, aber keine der Türen abschließbar waren. Alle kaputt.
Und dann war ich in Borjomi. Nachdem ich den 12. Stock bei Nikita so toll fand und das Erdgeschoss in Poti so furchtbar, habe ich mich hier jetzt im 11. Stock eingemietet. Es ist so ein typisches Sowjethaus, relativ verfallen wirkend, aber mit ordentlichen Wohnungen und einem Fahrstuhl innen. Aber es sieht trotzdem vielfach so bröckelig mit herumhängenden Kabeln und Leitungen aus, dass ich mir manchmal vorstelle, dass es in sich zusammen fällt.
Ich konnte hier die Wäsche waschen und aufhängen – wobei ich kleine Anzeichen von Höhenangst hatte, als ich mich aus dem Fenster lehnte. Aber alles ging gut und es fiel auch keine Klammer oder Socke nach unten.
Borjomi ist also touristisch. Es hat eine großartige Vergangenheit. Hier wurden schon sehr früh Heilwasserquellen entdeckt. Ab 1850 wurde es als Kurort für russische Heilsuchende genutzt. Reiche Leute bauten schicke Villen, auch dem Zar gehörte eine. Zu den Kurgästen zählten u.a. Tschaikovski und Tolstoi. Zur Sowjetzeit übernahmen diese das Regime und nutzten ebenfalls die Heilquellen. Auch Stalin verweilte hier. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Heilwasser in Flaschen abgefüllt und vertrieben. Das ist bis heute erfolgreich. Man kann sich das Wasser selber abfüllen oder in Geschäften kaufen und es schmeckt gruselig.
Ich war 2008 auch schon in Borjomi. Damals fand ich es sehr elendig und traurig, überall zusammenfallende Gebäude, denen das Geld für Renovierungen fehlte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieben die russischen Kurgäste aus und der Ort sackte in sich zusammen. Zuerst wurden noch Geflüchtete aus Abchasien in die alten Kurhotels einquartiert. Inzwischen ändert es sich alles wieder. Man hat den alten Kurpark hübsch aufbereitet und empfängt gerne Reisende, die sich auch der umliegende Natur z.B. im nahegelegenen Nationalpark erfreuen. Aber natürlich gibt es auch noch ausreichend „Gammel“ zu sehen.
Ich machte zuerst eine kleine Wanderung durch den Wald auf eine 300 m höhere Anhöhe, die keinen großartigen Blick bot, aber es war sehr schön, einfach in der Natur herumzulaufen. Sie bieten hier mehrere ausgeschilderte Touren an – dieses war die grüne Strecke, gut markiert. Getroffen habe ich nur ganz am Ende 2 Leute, die mir entgegen kamen.
Mittags war ich wieder unten und suchte ein indisches Lokal auf. Ich hatte ein bisschen „Heimatsehnsucht“ und wurde nicht enttäuscht. Außer dass es ein bisschen teuer war. Aber es schmeckte indisch und der Besitzer und der Manager waren aus Pakistan und die Kellnerin von hier. Die Kellnerin war sehr süß, total enthusiastisch freute sie sich über meinen Besuch (ich war die einzige Gästin), sprach gebrochenes bisschen englisch und war erst seit 2 Wochen oder so angestellt. Der Manager kam aus Karachi, hatte bisher überwiegend im Handel gearbeitet (Schuhe) und an vielen Orten dieser Welt gelebt (Dubai, China usw.). Und jetzt hatte es ihn nach Borjomi und in die Gastronomie verschlagen. Daheim war er vor 8 Jahren das letzte Mal. Schwierig mit Pakistan. Was ich übrigens interessant finde: bei mir im Dorf gibt es auch ein indisches Lokal, betrieben von Pakistanis. Und hier heißt das Restaurant „Maharaja“ und wirbt mit indischen Speisen. Irgendwie komisch, dass es die pakistanische Küche nicht geschafft hat, sich so zu etablieren, dass sie ihre Lokale eher als indisch deklarieren.
Danach spazierte ich durch den Kurpark. Der zog sich weit hinauf in einem Tal und hatte diverse Fahrgeschäfte. Allerdings eher keine Kundschaft. Es war ja auch noch deutlich vor der Saison. Aber ich habe inzwischen eine Freude, Fahrgeschäfte zu fotografieren, die mir so verloren anmuten.
Wenn man am Ende des Parks noch 2 km weiter durch schönen Wald spaziert, kommt man zum Schwefelquellenbad. Hier klafften Erwartungen und Wirklichkeit etwas auseinander: es roch weder nach Schwefel noch war das Wasser heiß. Aber es war trotzdem nett, im Pool zu liegen. Und ich habe auch tatsächlich niemanden gesehen, der versuchte, sich mit einer Krawatte dem Verbot zu widersetzen.
Und so hatte ich bisher eine angenehmere Zeit als in Poti.