Jvarboseli -> Omalo – besser als gedacht

22. Juni 2023

 

 

Ein Blick hinaus am Morgen sagte: es ist trocken, aber bewölkt. Wer weiß, ob es so bleibt. Ein Griff in die Schuhe sagte: sie sind nicht ganz trocken, aber akzeptabel zum Reinschlüpfen. Ein Fühlen in meine Muskeln sagte: Da geht noch was. Eine Besprechung mit mir selber sagte: es ist gut, einen Trek so zu Ende zu führen wie geplant. Das wird am Ende ein besseres Gefühl geben. Und ich werde es einfach schaffen.

 

Nino hatte sich ein bisschen vertan mit den Höhenmetern (es waren keine 1.000 zu bewältigen) und ich weiß gar nicht, warum genau, aber ich habe einen großen Respekt vor allem, was über 20 km ist. Das erscheint mir furchtbar lang und meinen Füßen schwer zumutbar. Um es vorweg zu nehmen: es ist lang, aber war überhaupt nicht so schlimm, wie befürchtet.

 

Guesthouse

 

Wir verließen also das Guesthouse und gingen runter zur Brücke für die Flussquerung und auf der anderen Seite wartete eine Fahrtstraße auf uns, die wir die ganze Zeit nach Omalo gehen würden.

 

Brücke

 

Gleich zu Anfang gab es eine Flussquerung mit Schuhe aus auf der Straße – und das blieb dann auch die einzige! Es ging ein Stück auf dieser Flussseite entlang, dann wurde er auf einer großen Brücke gequert und ein Anstieg nach oben war angesagt.

 

Blick auf Jvarboseli und 2 Leipziger

 

Fluss

 

Hängebrücke, zum Glück mussten wir die nicht nutzen

 

Anstieg

 

Nach dem Anstieg war eine Höhe erreicht auf der wir mit weiteren leichten Auf und Abs blieben und das war für mich die Überraschung. Es war total schön, so weit oben zu gehen und überall hingucken zu können. Bei hübscher Sonne wäre es wohl noch schöner gewesen, aber immerhin war es überwiegend trocken. Nur einmal startete ein Regen, der aber auch wieder aufhörte. Man konnte schön sehen, wie das Tal weit hoch bewaldet war und darüber die Grashänge anfingen und kleine Dörfchen angesiedelt waren.

 

Dorf

 

anderes Dorf

 

Wanderstrecke

 

Wir fühlten uns auf dieser Straße relativ sicher vor Hunden, aber gefehlt. Es gab ein einzelnes Gehöft nur wenige Meter unterhalb. Ich ging voran (aber kaum Abstand) und auf einmal kam ein kläffender Hund angerast. und noch einer. Und noch einer. Am Ende haben wir 6 Stück gezählt! Wieso braucht jemand 6 Hunde um ein Grundstück zu bewachen? Nachdem mir der erste Schreck die übliche Körperreaktion von zurückweichen bescherte, erinnerte ich mich an die Anweisungen und hob den Stock drohend hoch. Nino und Pavels waren auch gleich da und reagierten. Auf der Straße waren mehrere handliche Steine, die hoben wir auf und schleuderten sie auf die Hunde. Diese bellten zwar weiter, aber es kam zu keinem wirklichen Angriff. Und Steine werfend konnten wir uns aus ihrer Zone hinausbewegen.

 

Ich bin eine absolute Niete im Steinwerfen und fragte Pavels, ob die Hunde mich damit überhaupt ernst nehmen würden. Er verglich es damit, dass jemand einen Revolver in der Hand hätte und daneben schießen würde und ob ich nicht Angst hätte, ob ich nicht doch einmal getroffen werden könnte. Ja klar. So ist es mit den Hunden auch. Und Stein auf Schnauze tut wohl sauweh. Also immer tüchtig werfen, egal wo die Dinger landen.

 

Die beiden regten sich noch ein wenig darüber auf, dass jemand direkt an dieser oftmals begangenen Strecke so viele böse Hunde hält. Ich war froh mit meiner persönlichen Hundeentwicklung. Zwar gibt es noch die Angstreaktionen und die werde ich auch nicht so einfach loswerden, aber es ist bewältigbar, ich kann reagieren, es bringt was. Aber für mich steht auch eindeutig fest: nie nie nie alleine im Kaukasus wandern!

 

Dann begegnete uns eine große Reisegruppe auf Pferden. Als die bei den Hunden vorbeiritten konnten wir diese wieder lärmen hören. Aber so viele Pferde – keine Chance für Hunde.

 

Reitgruppe 1

 

Reitgruppe 2

 

Reitgruppe 3

 

Dann erreichten wir Bochorna, was sich als höchstes bewohntes Dorf Europas rühmt auf 2.345 m. Von Regen und Hunden bisschen schlappi, freuten wir uns auf ein Päuschen in einem Guesthousecafe, dessen Schild wir unten sahen und oben auch einen Menschen.

 

Guesthouse oben

 

Das war allerdings nicht der Guesthousebesitzer, das würde sein Sohn machen, aber der wäre nicht da und er weiß auch nicht, ob er diese Saison noch kommen würde. Aber wir könnten uns gerne setzen und etwas erzählen und einen Kaffee bekamen wir dann sogar auch noch. Und es stellte sich heraus, dass der Herr eine kleine Berühmtheit ist. Er ist inzwischen 82 Jahre und der einzige Doktor für diese Region. Er lebt ganz allein dauerhaft in Bochorna in diesem Haus und kümmert sich auch im Winter um alle Kranken und Verletzten. In National Geographic ist ein Artikel über ihn erschienen.

 

Dann kamen zwei seiner Kumpel an und wollten fröhlich Alkohol mit uns trinken, aber wir wollten uns lieber auf den Weg machen. Aber ein Selfie mit ihm hab ich dann doch noch ergattert.

 

ich und Doktor

 

Man sieht zwar, dass er alt ist, aber er kommt noch sehr gut zurecht. Nur die Namen, mit denen ist er inzwischen völlig durcheinander und weiß oft nicht mehr, wie jemand heißt.

 

Wir wanderten weiter auf der Straße. insgesamt haben wir 3 Autos gesehen, sie ist also nicht sehr befahren. Aber auch hier passieren Unfälle und man gedenkt der Personen und Autos.

 

Gedenkstein 1

 

Gedenkstein 2

 

Irgendwie war ich nicht mehr so wirklich in Photostimmung. Die Motive erschienen mir auch zu gleich: grün mit grauem Himmel. Aber gefallen hat mir die Tour trotzdem. Und am Ende gab es noch eine richtig miese „Kletterei“ über Matschpfade steil nach oben über einen Anstieg und dann noch ein bisschen wieder runter und dann waren wir in Upper Omalo, unserem Endziel. Dort gibt es ein altes Fort:

 

Keselo Fort

 

Und direkt darunter ist die Unterkunft – ein bisschen anders als die anderen nämlich mit Bad am Zimmer und geführt von jüngeren Leuten. Hach, was tat die Dusche gut und das Ausziehen der nassen Schuhe! Es war ein gutes Gefühl, doch die ganze Tour gegangen zu sein. Ich werde mich nicht mehr vor 20plus Kilometer fürchten!

 

Und das war es mit der Trekkingtour. Fazit: Lohnenswert! Wir waren ein gutes Wanderteam, die Landschaft ist schön, die Leute sehr nett, das Essen lecker und reichlich, die Unterkünfte gemütlich – und die Hunde nimmt man irgendwann einfach hin. Man muss zwar achtsam sein und wissen, was man tun muss, aber es ist gut bewältigbar, ebenso wie die Flussquerungen und vielleicht auch manche steilere Stellen wenn man Höhenangst hat. Aber prinzipiell war ich überrascht, wie vielfältig es doch ist. Ich kam gar nicht dazu, sehr viel über Tuschetien zu lernen, aber das wird noch aufgeholt. Es gibt eine prima Webseite dazu hier. Die Region wird unterstützt von diversen Hilfsorganisationen. Hier ist noch ein interessanter Artikel.

 

Ich habe keine Ahnung wie es im Juli/August tatsächlich mit TouristInnen ausschaut. Es gibt einen bekannteren Mehrtagestrek in die Nebenregion (Omalo-Shatili), den Leute gerne gehen, aber jetzt war der Pass wegen Schnee noch unbegehbar. Ich hoffe, es bleibt übersichtlich mit den BesucherInnen – wegen der kurzen Saison und der anstrengenden Straße ist es nicht ausgeschlossen.

 

Ich war jedenfalls sehr froh um diese Tour!