Von Kyzyl Oi nach Bischkek hatten wir noch ein gutes Stück zu fahren. Zuerst ging es wieder Staubpiste entlang, vom engen Tal in ein weites.
Das weite Tal heißt Suusamyr und ist ca. 100 km lang und 40 km breit. Durch einen Teil davon bin ich schon auf dem Weg von Bischkek nach Toktogul gekommen. Und jetzt gab es also den Talrest zu sehen. Im Westteil waren hauptsächlich Nomaden in ihren Jurten, im Ostteil (also der jetzigen Strecke) ging es durch Dörfer und gab sogar eine Fabrik zu sehen. Die Straße war überwiegend staubig. Trotzdem sahen wir mehrere Reisende auf Fahrrädern.
Nach einiger Zeit erreichten wir die geteerte Nationalstraße, markiert mit einem Monument. Ich wunder mich immer wieder über sowjetisches Baudesign, es ist meinen Augen nicht gefällig.
Auf guter Straße ging es dann nach oben, wir mussten am gesperrten Tunnel länger warten, dann konnten wir durchfahren und auf der anderen Seite windet sich dann die Straße über 2.000 m nach unten. Ich war das bisher nur in Shared Taxis gefahren von wo es keine guten Fotogelegenheiten gab. Hier konnte ich ein wenig nachholen:
Es war ganz gut was los auf der Straße, das waren wir von den ganzen vorherigen Tagen nicht mehr so gewohnt. Wir fanden dann noch ein Lokal zum Abschiedsmittag, wo die Tischnachbarinnen sogar Erik zum Staunen brachten mit ihren riesigen (Fleisch)portionen auf dem Tisch. Wir blieben allerdings nicht lange genug um zu sehen, ob sie diese Essensberge wirklich allein bewältigten.
Die Vororte von Bischkek reihen sich alle an der großen Hauptstraße schier endlos aneinander. Schön sah das nicht aus und es kamen schon wieder unbeantwortete Fragen auf: wohnt man hier, weil man sich die Mieten in Bischkek nicht leisten kann? Oder sind es doch ganz eigene gewachsene Strukturen? Findet man ein Wohnhaus an der großen Straße attraktiv? Es gab hier nämlich relativ viele zwischen dem ganzen Gewerbe, einige sogar im Neu/Renovierungsbau. Wir sahen auch den großen Gebrauchtwagenmarkt, der wirklich riesig ist. Das kam mir sehr praktisch vor für den Wunsch einen Gebrauchtwagen zu erwerben: alles an einer Stelle und man muss nicht hin und her fahren und suchen.
Und dann waren wir in Bischkek und verabschiedeten uns von Erik. Er ist ein wirklich prima Fahrer – ich hoffe, wir waren ihm angenehme Mitreisende.
Es war nachmittags, die Temperaturen etwas niedriger als 3 Wochen zuvor, aber immer noch heiß. Ein Ausflug in das Stadtzentrum erschien uns nicht so wirklich attraktiv. Wir hatten gut Mittag gegessen und abends gab es im Guesthouse auch noch viele Leckereien und so schafften wir nur noch einen Verdauungsspaziergang am Fluss.
Ein bisschen schlafen und dann musste Ute auch schon um 5:30 wieder hoch um zum Flieger zu kommen. Der nächste Abschied. Ute und ich kennen uns seit ca. 30 Jahren, haben uns im Studium kennengelernt, 2 x zusammen gewohnt und einmal ist sie auch zu mir nach Ladakh gereist. Ich kenne kaum weitere so unkomplizierte Personen, sie ist sehr sozial verträglich und gerne dabei, mit anderen Kontakt aufzunehmen – auch wenn man keine gemeinsame Sprache hat. Wir haben uns eher nicht gestritten (nur meine zeitweiligen anfänglichen kleinen Wutanfälle aus Reiseunzufriedenheit fand sie sehr doof) außer darüber, wer die größere Plappertasche sei. Es war insbesondere beim Unterwegs-sein ein permanentes Geplauder darüber, was so in unseren Köpfen vor sich ging. Es war mir also eine große Freude, mit Ute zu reisen, viel größer als davor allein. Und als sie fort war, war mir etwas einsam zumute.
Als ich meinen Flug buchte, wussten wir noch nicht, dass sie wirklich kommen würde und wann genau. Und so hatte ich einen Rückflug 4 Tage später, die ich in Bischkek verbrachte. Ich war eigentlich durch mit dem Reisen, nicht mehr neugierig auf Neues, interesselos an Kontakten – und hatte so sehr ruhige Tage, wo ich einiges am Laptop nacharbeitete und irgendwann zum Essen raus ging und dann noch ein wenig herumspazierte. Dabei entstanden noch ein paar weitere Bilder. Den einen Tag war es sehr bedeckt und einerseits etwas kühler, andererseits war die Luft anstrengend staubig – viele Autos hatten auch so eine leichte Dreckschicht.
Ich finde Bischkek weiterhin eine häßliche Stadt, aber auch nicht schlimm, dort zu verweilen. Überhaupt wirkte ich auf mich recht emotionslos, weder grämte ich mich ob des Hierseins noch war mein Herz voller Freuden. Aber als es dann für mich auch zum Flughafen ging, war ich doch erleichtert. 3,5 Monate postsowjetische Länder mit dem Gefühl, eine falsche Reiseentscheidung getroffen zu haben, waren nicht so einfach. Aber insgesamt hatte ich dann doch das Gefühl, genügend schöne und interessante Sachen erlebt zu haben. Und mein Wissen um postsowjetische Lebensrealitäten habe ich etwas erweitern können und bin auch durchaus sehr fasziniert davon. Kirgistan ist ja nur ein sehr kleiner Teil des Sowjetreiches. Es erschien mir für die gesellschafts-politischen Umwälzungen damals aber schon riesig und insgesamt wundere ich mich, wie die Sowjetunion das geschafft hat, ihre wirklich massiven Veränderungen in so kurzer Zeit in einem so riesigen Gebiet so effektiv durchzusetzen – ohne Internet, ohne gute vorhandene Infrastruktur. Neben dieser Geschichte finde ich es natürlich auch spannend, wie sich die jeweiligen Länder nach ihrer Unabhängigkeit entwickelt haben. Estland, Georgien, Armenien, Kirgistan – viel habe ich ja noch nicht gesehen. Es beschäftigt mich weiterhin, aber ich glaube, eine Pause ist jetzt nicht schlecht.
Ich fuhr also auch zum Flughafen
und verabschiedete mich von diesem Land, wo ich nach dieser zweiten Reise so viele Eindrücke zusammen gesammelt hatte.
Wie immer gibt es noch einen letzten Blogpost mit Nachgedanken. Es gibt da nämlich noch ein bisschen mehr als das, was ich hier eben so habe anklingen lassen.