Kyzyl Oi hat ein wenig Tourismus, was wir an manchen Guesthouseschildern und einem weiteren Touristenpaar sahen. Es wird gepriesen als eines der wenigen Dörfer, die noch gute Strukturen aus vor-sowjetischer Zeit aufweisen. Auf weiter Strecke das einzige Dorf in dieser Gegend an der alten Seidenstraße war es überhaupt eines der selteneren Dörfer in überwiegend von Nomaden besiedeltem Gebiet. Auch die Häuser sollen mehr sein wie früher. Zweiteres hab ich nicht so wirklich sehen können (oben unser Guesthouse). Aber dass das Dorf anders und angenehmer war, war offensichtlich. Die Leute hatten kleine Felder direkt an ihren Grundstücken und waren eifrig mit der Landwirtschaft beschäftigt. Es wirkte einfach nicht so sowjetisch. Bei einem abendlichen Spaziergang roch es das erste Mal für mich wahrnehmbar so wie ich finde es an einem Sommerabend in einem Dorf riechen sollte: Tiere, gemähtes Gras, Vegetation, Bächlein.
Im Guesthouse wurden wir herzlich vom Hausherr begrüßt – den wir danach nicht mehr wirklich wieder sahen. Seine Frau bewirtete uns und sprach kein englisch. Sie hatte aus Bischkek hierher geheiratet und schien nicht so ganz glücklich. Ihre Kinder sind erwachsen und sind fortgezogen. Leider konnte ich noch nicht sooo viel herausfinden wie es mit dem Heiraten auf dem Land und der Situation im neuen Dorf ist (außer dass man selten innerhalb eines Dorfes heiratet). Wie integrieren sich die neuen Leute? Sind es immer die Frauen, die umziehen? Werden sie gut aufgenommen? Gibt es Gelegenheiten, die das verstärken (wie Festlichkeiten)? Suchen sich auch Paare/Familien eine neue (Dorf)heimat? In Kara Suu bei den Filzfrauen kamen oft Nachbarinnen vorbei, hier sahen wir keine. Aber das kann auch Zufall sein. Jedenfalls gab es wieder bisher nicht beantwortete Fragen.
Kyzyl heißt übrigens übersetzt „rot“ – passend zu dem vielen roten Gestein. Wenn man ankommt, schaut es aus, als würden die Häuser sich im Tal zusammengerottet haben und links und rechts wäre nur karge Felslandschaft. Maps.me zeigte einen Pfad von 7 km einen Fluss entlang, dann käme eine Brücke und auf der anderen Seite würde es wieder hinab gehen, alles mit ca. 400 Höhenmetern. Das klang sehr gut. Ich stellte mich darauf ein, in trockener, bunter Landschaft herumzuwandern. Wir starteten im Dorf, wo ich die Landwirtschaft fotografierte. Mich begeisterten die schlanken hohen Pappeln, sie erinnerten mich neben den bunten kargen Bergen total an Ladakh.
Dann ging es ein Staubtal nach oben. Es waren wenige Menschen auch genau auf diesem Pfad und wir wunderten uns, wo sie wohl hin wollten.
Nach kurzer Zeit kamen wir oben an und staunten nicht schlecht: ein riesiges landwirtschaftlich genutztes Tal breitete sich aus und ging kilometerweit in die Landschaft hinein. Davon habe ich kein Übersichtsfoto gemacht, weil es irgendwie nicht so klappte. Aber diverse Landschaftsausschnitte:
Die Leute hatten die meisten Felder schon gemäht und den Ertrag in Ballen zusammen gepresst. Es waren so einige landwirtschaftliche Gefährte zu sehen und tätige Menschen. Und es gab Gehöfte, teilweise sehr groß, teilweise bisschen kleiner.
Hier war nicht so viel verlassen und verfallen sondern man arbeitete eifrig dafür, sich für den Winter einzudecken. Wir fanden einen schönen Picknickplatz:
Für mich war es ein Tag voller großer Freude: wandern in Berglandschaft mit Überraschungen! Eine „schlechte“ Überraschung war, dass die eingezeichnete Brücke nicht vorhanden war und die Furt zu breit und tief ohne ausreichend Steine zum springen. Die Leute queren sie entweder per Auto oder Pferd. Einer ritt an uns vorbei.
Aber ab und an ein kleines Kneippbad belebt die Füße auch ganz gut. Beim Hochgehen gab es auf der Flußseite nur einen Pfad, hinab führte eine Staubstraße mit glücklicherweise sehr wenig Verkehr. Auch wenn es dasselbe Tal war und übersichtlich, war hinab vom Blick her nochmal ganz anders als hinauf. Wolken zauberten schöne Schatten auf die Berge und ich freute mich.
Dann wurde die Staubstraße allerdings eine Puderzuckerstraße, d.h. es lag ein superfeiner weicher Staub auf der Straße und bei jedem Schritt wirbelte er nach oben. Das war dann etwas zäh. Und besonders doof, wenn ein Auto kam.
Ein Mann mit einem kleinen Kind an der Hand ging vor uns. Wir erreichten wieder das Dorf mit einer tollen Pappelreihe.
Manche Sportplätze in Kirgistan sahen aus als würden sie schon ewig nicht mehr benutzt werden. Dieser hier hatte einen tollen Kunstrasen:
Kyzyl Oi wurde so schnell mein Lieblingsdorf in Kirgistan – nicht nur wegen der vielen Ähnlichkeiten mit Ladakh.
Das war nun unsere letzte Wanderung und am nächsten Tag ging es zu einer letzten Fahrt mit Erik zurück nach Bischkek.