
Am Morgen bin ich mit Fahrer Abul nach Kigwema gestartet, ein 7.000-Leute Dorf, in welchem eine von Pauls empfohlene Dorfführerin auf mich wartete. Das Dorf ist nicht so weit weg, aber der Verkehr in Kohima ist leider voller Staus.
Ein hiesiges Dorf hat immer ein Eingangsportal, welches geschlossen werden kann. Drumherum bzw. um das Dorf hat man zum Schutz ganz viel Stachelgewächs und so angebaut, dass Bösewichte nicht gut reinkamen. Dieses Dorf hat sich immer weiter vergrößert und es kamen mehr Eingänge dazu. Die alten reißt man nie nie ab – das bringt Pech.
Dorfgate
In Nagaland gibt es ca. 16 Stämme, die den Nagas zugeordnet werden (je nach Definition). In Wokha waren die Lothas, in Kohima sind es die Angami. Und in Kigwema sind es ebenfalls die Angami. Es erschien mir wie ein ziemlich traditionelles Dorf (natürlich mit den üblichen Modernisierungen) und Asi führte mich herum. Sie ist 33 Jahre, unverheiratet – und stammt aus einer „Tourismusfamilie“. In 2 Zimmern in ihrem Haus kann man nächtigen, aber das liegt gerade ein bisschen brach. Über eine Freundin hat sie das Guiding mitbekommen – und fand das für sich eine prima Sache. Und ich finde, sie macht das auch richtig toll. Üblicherweise werden ihr die Leute von hiesigen Agenturen geschickt, manche sind ein bisschen stoffelig und seltsam uninteressiert – mit mir schien es ihr Spaß zu machen. Sie weiß total viel und kann das auch super vermitteln.
Ich habe gar kein richtig schönes Bild von ihr gemacht – dieses habe ich mit einem Kleinkind zusammen produziert.
Asi
Ich erzähl mal, was sie mir erzählte und was hängengeblieben ist. Kigwema hat ca. 7.000 Leute (genauso viele wie „mein“ Ruhpolding!). Es ist in 5 Ortsteile unterteilt, die nennt man Kher. Und jedes Kher hat noch ein Morung, das ist das Junggesellenhaus, wo Jungs zusammen wohnten und gemeinsam Sachen lernten. Das hat sich heute etwas aufgeweicht, aber so ein Haus ist noch in jedem Ortsteil vorhanden. Daneben ist ein Platz – und eine Feuerstelle, an der insbesondere abends die älteren Leute zusammen kommen und schwätzen und tratschen.
Dorfplatz
Morung
anderer Morung
Feuerplatz
Dann haben wir 2 alte traditionelle Häuser von außen angeschaut und sie hat mir viel erklärt. Die ganze Dorfgemeinschaft hilft beim Bau. Und je nach Reichtum richtet man danach Feste aus. Je reicher, desto mehr Mithuns (hiesige Kuhart) werden getötet und dann kann man deren Schädel über dem Eingang aufhängen. Rechts neben dem Eingang ist so eine Hütte, da ist dann immer das Mithun, welches auf eine bestimmte Weise von oben geschlachtet wird. Diese Dekorationen, das sind symbolische Mithunschädel und Sonne/Mond für den Glauben und Brüste für die Fruchtbarkeit. Und dann hängen da noch Töpfe. Ich weiß nicht mehr, was die Gelegenheit war, aber nach dieser dürfen sie nicht mehr gewaschen werden und werden dahin gehängt. Aus Versehen hat Asi mal diese Töpfe gewaschen und wurde dann sehr ausgeschimpft.
2 alte Häuser
Schlachtstall
Deko
ungewaschene Töpfe
Dann begegneten wir einer Frau, die fragte, ob ich ein Glas Wasser bei ihr daheim möchte. Asi kannte sie nicht. Sie kennen sich nicht immer alle 7000 untereinander. Und zusätzlich interessant: die 5 verschiedenen Kiels haben alle leicht unterschiedliche Dialekte! Ich wollte jedenfalls gerne und so folgten wir ihr. Das Wasser stammt hier aus den Bergen, ist reichlich und von bester Qualität. Es wird überlegt, welches nach Kohima zu leiten, wo es ein Wasserproblem gibt.
Wenn man in ein Haus geht, kommt man immer zuerst an den großen Reisbehältern vorbei.
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In der Küche ist es geräumig und jede Familie hat einen Gaskocher und offenes Feuer. Offenes Feuer schmeckt viel besser, dauert aber länger. Hier gab es noch ein Kleinkind, welches betrübt war, dass ich sie nicht richtig verstehen konnte. Ich fragte einiges – und dann bekam ich auch noch Guave und Feige. Sehr lecker!
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Jetzt zum Reis. Der war überwiegend abgeerntet und wurde jetzt lagerbereit gemacht. Es gibt hier viele verschiedene Reissorten. Was? In Deutschland gibt es keinen Reis? Oh je, wie überleben die Menschen denn da???
Reisfelder
Reis trocknet
Reis von dichter
Und dann war ich auch schon von der nächsten Frau eingeladen. Einen Tee trinken. Sie ist Witwe und lebt ganz alleine in diesem Haus. Ob es ihr abends nicht einsam sei? Nein, sie schuftet den ganzen Tag und danach fällt sie nur noch müde ins Bett. Asi kochte den Tee und war ganz bestürzt, als diese keinen Anstalten machte, viel Milch und Zucker reinzutun. Es muss süß sein, weil man einen süßen Gast hat, den man mit Süße ehrt. Sie war ein bisschen aus dem Häuschen, überhaupt eine Gästin zu haben. Und so bekam ich Tee, eine Art Zwiebackgebäck und Kürbis und Reis zum probieren. Immerhin hätten wir auch Kürbis in Deutschland. Kürbis und Kartoffeln, das macht die schöne Haut! Und aus lauter Freude musste sie dann erstmal sehr lange beten bevor man den Tee trinken durfte.
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Neben Reis hatte sie auch Schweine und Hühner und Enten. Was? Ich esse kein Fleisch? Oh jemine, das ist ja alles bedauernswert! Auch scheint Deutschland ein sehr bedauernswertes Land zu sein, weil wir so wenig haben von dem, was hier Essbares wächst. Die Leute haben alle eine Art Küchengarten, aber es ist eigentlich noch „verrückter“: es wachsen überall irgendwelche Pflanzen, die man nutzen kann. Oder es sind hübsche Blumen.
hübsche Pflanze
Medizin für Tiere
Jedes Kher hat auch einen Aussichtspunkt von wo man z.B. besser sehen kann, wenn Feinde im Anmarsch sind. 1944 hat in Kohima und Umgebung ein harter Kampf zwischen Japanern und Briten/Assam Rifles statt gefunden, wo die Japaner am Ende verloren. Sonst wäre die Welt vielleicht ein wenig anders aufgeteilt sein. Die hiesigen Leute waren indifferent, für wen sie waren. Die Briten verteidigten sie, die Japaner wollten ihnen bei der Entkolonialisierung helfen. Laut Asi ist das ganze Thema nicht so platt zu beurteilen – aber da muss ich auch noch mehr lernen. Hier nur kurz: dem japanischen Befehlshaber wurde hier ein Haus gebaut, von wo er einen guten Überblick hatte.
Haus für Japaner
früheres Kampfgebiet
In Indien hat sich ja das Panchayat System zur Regelung lokaler Angelegenheiten durchgesetzt (ein Rat von 5 Leuten berät und entscheidet). Kigwema wurde letztens geehrt, weil es da super vorbildlich ist! Dann gibt es noch zu sagen, dass es auch hier eine tolle Bibliothek gibt, die gerne genutzt wird.
Bibliothek 1
Bibliothek 2
In einem Ort wurde eine Hochzeit vorbereitet. Hier ist man streng christlich – man darf nur „pur“ in die Ehe gehen! Kein Sex vorher!
Hochzeitsvorbereitung
Für die vielen Gäste wurde eine Waschgelegenheit installiert. Man freute sich sehr darüber, dass ich das so toll fand und erwähnte, dass man in Deutschland nicht so findig sei.
Waschgelegenheit
Sie sind hier sehr freudig, in Steine etwas einzugravieren. Hier sieht man die jeweiligen Spenden für irgendwelche kommunalen Sachen. Die linke Tafel ist von viel früher, als die Rupie noch viel mehr wert war.
Spendentafeln
noch mehr Tafeln
Ich merke gerade: ich könnte noch endlos weitermachen mit Sachen, die ich gelernt habe. Aber vielleicht reicht es auch erstmal in diesem Blogpost und ich krieg das noch später woanders unter.
Zum Abschluss haben wir spontan bei Asi Mittag bekommen. Sie haben sich total ins Zeug gelegt und die Mutter war ganz besorgt, dass da nun kein Fleisch bei sei. Wie würde das denn aussehen!
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Ich fand das alles super – das Dorf, Asi, die ganzen Sachen zum Lernen, die Einladungen und überhaupt. Sehr empfehlenswert!
Danach fuhr ich mit Abul noch zum Hornbillfestivalgelände, wo man tüchtig am Vorbereiten war. Aber das muss auch bis zum nächsten Blogpost warten!