
Ich schreib hier schon mal über das Hornbillfestival. Das findet 1. – 10.12. jedes Jahr statt und zwar seit 2000. Damit hatten sie letztes Jahr 25jähriges Jubiläum. Ich habe bisher wirklich keine Ahnung, ob die Nagas das für sich alleine auch super toll finden oder wie wichtig die Zuschauenden sind. Jedenfalls wird es groß und es sollen 4. – 5.000 Leute aus dem Ausland üblicherweise kommen. Und es erfreut sich auch bei Diamir großer Beliebtheit – die Reise war schnell ausgebucht und so wurde gleich noch eine in umgekehrter Reihenfolge dran gehängt. Das klappt, dass sich beide Gruppen je 2 Tage das Festival anschauen können und der lokale Guide gleich die Folgegruppe in Empfang nimmt.
Die Vorbereitungen sind schon voll in Gange, man muss vieles wieder neu herrichten und besser bauen und ausbauen usw. Das Gelände, wo es statt findet, ist nicht so weit von Kohima und heißt Kisama. Und so sind wir hingefahren so dass ich auch gleich mal gucken konnte und schon mehr weiß bevor die Gruppe kommt.
Das Gelände ist viel kleiner als ich dachte. Es gibt eine Art Stadium mit vielen Sitzplätzen, wo in der Mitte Aufführungen statt finden. Da wurde tüchtig rumgebaut.
Stadionteil
Und nebenan ziehen sich die Gemeinschaftshäuser der 16 Nagagruppen den Hang hinauf.
„Dorf“
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4Ich weiß nach diesem Besuch noch nicht so ganz, wie ich es finde. Vielleicht ist „misstrauisch“ das passendste Wort für meine Empfindungen. In einer Zeitung kam auch gerade Kritik auf, dass Kohima zu sehr auf das Hornbill im Tourismus fokussiert und man dann viel zu wenig Touris im Jahresrest hat.
Am nächsten Tag hab ich mich schon wieder mehr ausgeruht. Meine Erkältung sitzt doch ziemlich tief. Und abends war dann noch ein Ereignis angesagt! Es war Remembrance Day im schicksten Hotel Kohimas (sooo schick war es da allerdings nicht). Azo, der hiesige Kontakt, hatte eine Reisegruppe von 3 BritInnen, die da sehr gerne hin wollten und er dachte, er könne mich ja auch fragen, ob ich mit will. Und das war eine gute Idee, weil ich wieder viel Gedankenfutter bekam….
Ich war ja schon auf dem Soldatenfriedhof gewesen. Und wer wollte hier nun was erinnern und warum? Ich hatte bisher immer die Gleichung in meinem Kopf: Briten = Kolonialisten = schlecht. Mich wunderte, wenn diese gerne in ihre ehemaligen Kolonien reisen, ich denke leicht, dass das doch unangenehm sein muss. Diese hier erzählten auch fröhlich, dass sie auf den Spuren ihrer Familie sind, wovon einige früher in Indien gelebt hatten. Dabei wurden sie von den Leuten hier extrem freudig und herzlich willkommen geheißen und fast hofiert.
Bühne
Ich wunderte mich und recherchierte dazu am Laptop. Mir scheint, ChatGPT hat es mir sehr gut erklärt und ich gebe das hier mal in meinen Worten weiter. Eigene Formulierungen helfen mir, Zusammenhänge besser zu verstehen und zu merken, wo Lücken und Unstimmigkeiten sind.
Also: In Nagaland ist das mit der britischen Kolonialisierung etwas verzwickter und anders. Als die Briten ab ca. 1830 in das hiesige Gebiet (hauptsächlich bei Kohima) kamen, waren sie die Feinde. Sie wollten die Naga-Stämme besteuern, von der Kopfjagd abhalten und regieren. Es gab Kampf (den erläutere ich mehr in einem folgenden Post über Khonoma), den die Briten im Prinzip gewannen. Danach starteten sie, „Ordnung“ in die Gegend zu bringen. Dabei gingen sie hier viel geschickter und respektvoller als in anderen Gegenden Indiens vor.
Sie beuteten nicht durch Plantagenanbau o.ä. aus, sie ließen den Stämmen ihre Dorfältesten und eine Art Halbautonomie, es gab ethnologisch interessierte Briten, die die Bergvölker als „edle Wilde“ ansahen – und sie ließen Missionare ins Land. Die Kopfjagd und Kriege untereinander haben sie aber auch ganz schnell verboten. Auch die Missionare waren sehr geschickt – sie drückten den Nagas das Christentum nicht auf, sondern machten es attraktiv und boten es an. Sie bauten Schulen und brachten Alphabetisierung und Medizin. Das stieß auf Begeisterung und die moralische Gesinnung drehte sich ganz schnell um 180 Grad. Gerade die Kopfjagd wird von vielen als schambehaftet im Gespräch angemerkt.
In diesen Jahren, d.h. bis mindestens zum 2. Weltkrieg ging das alles so relativ freundlich weiter. Die Missionare waren sehr erfolgreich, die Briten eher beliebt (aber auch nicht 100%, sie waren ja trotz allem Kolonialisten), die Inder eher unbeliebt. Das forcierte sich u.a. als im 2. WK die Japaner anrückten. Diese wurden von Subash Chandra Bohse unterstützt, der sich ein unabhängiges Indien wünschte und meinte, das mit den Japanern besser erreichen zu können. Nagaland war im Prinzip etwas dazwischen: nicht mehr Kolonie sein wäre fein, aber ob Indien die bessere Alternative ist? Verspielt haben sich die Japaner hier aber die Unterstützung der Einheimischen durch gewaltvolle Aktionen. Die Briten waren zwar auch nicht ohne – aber wenn man sich zwischen beiden Übeln entscheiden muss, nimmt man eher den, der nicht ganz so fies ist. Und so haben die Nagas den Briten im Krieg geholfen, ob nun bei Infrastruktur, Verpflegung, Trägerdiensten oder auch Kampf an der Waffe.
Als dann 1944 die Briten den Kampf um Kohima gewonnen hatte, waren sie wieder schlau und ehrten viele Nagas für ihre Verdienste im Krieg, finanzierten Stipendien für Naga-Kinder und unterstützten auf vielerlei Weise – bevor sie 1947 das Land verließen. Dass die Missionare eher aus den USA kamen, war im Prinzip egal, alle westlichen ChristInnen wurden als eher positiv angesehen.
Die BritInnen zu Gast, das waren zwei Schwestern und der Ehemann der einen, die auf den Spuren ihrer alten Verwandten wandelten. Der eine Opa war Ingenieur und hat z.B. das Krankenhaus gebaut. Es wurden überhaupt so einige freundschaftliche Bande damals geknüpft – und so brauchte es mich auch nicht mehr wundern, wie herzlich und begeistert die Britinnen hier empfangen wurden und Positives diese auch diesem Land zu Gute hielten, wo ihre Vorfahren eine gute Zeit verbracht hatten.
Und an diesem Rembrandt Day wird genau das gefeiert und gedacht! Die Ehre der im Krieg gefallenen und die freundlichen Bande zwischen BritInnen und Nagas.
Gesang
Konkret sah das so aus, dass westliche Lieder gesungen wurden, viele Menschen Geschenke bekamen und dann 2 Herren auf der Bühne ein Gespräch starteten (alles auf englisch!). Es ging a) darum, dass die Rolle der Nagas im Krieg nicht ganz so prominent in die Geschichtsbücher Einzug erhalten haben und man das gerne ändern möchte um auf sich selber stolzer zu sein und b) um Geschichten, die auch vom Publikum aus erzählt werden sollten. Weil die Leute ja aussterben, die noch direkte Erinnerungen haben.
Die ganze Veranstaltung wurde durch die Anwesenheit des Chief Ministers geehrt. Diesen hatte ich ja schon beim Lotha Hoho gesehen. Diesmal hat er mir sogar die Hand geschüttelt (er nahm an, ich sei auch eine freundschaftliche Britin) und saß direkt vor mir. Er hat auch Erinnerungsgeschichten erzählt.
Mr. Rio
Das Publikum sollte auch gerne Sachen fragen und beitragen und eine Frau brachte tatsächlich das Thema PAP auf den Tisch. Man könne damit nicht mehr so einfach ausländische Freunde einladen (hier war an westlichen Gesichtern neben den BritInnen und ich nur noch eine Dame der irischen Botschaft in Indien anwesend).
Der CM hielt dann eine 11 minütige Rede (die hab ich vorsichtshalber aufgenommen), die den für mich wichtigen Satz enthielt: nächste Woche sei er nochmal in Delhi um für eine bessere Lösung zu kämpfen. Insbesondere auch für die Hornbillfestivalzeit. Ich hoffe da so sehr drauf! Die fragende Dame war gar keine Reiseveranstalterin sondern eine engagierte Forscherin bzgl. Nagaland. Ich bekniete eigentlich alles, was ich an hiesigen Reiseveranstaltern traf, sich doch eine gemeinsame Strategie zumindest für das Festival zurecht zu legen und dann alle danach zu handeln. Natürlich sehr im Sinne der einfacheren Einreise. Aber auch, weil man gemeinsam ja doch stärker ist als wenn sich alle nur individuell was überlegen.
Ich greife hier meiner eigenen PAP-Geschichte schon mal etwas vor. Stand war, dass ich am 11. nach Delhi kommen solle und ich eine Mail schrieb, dass ich das nicht wahrnehmen könne. Am 12. gegen 17:00 erhielt ich dann folgende Mails:
Mail 1
Mail 2
So bin ich nun quasi „illegal“ hier, bekomme eine 2. Chance und keine Strafe. Was ich übrigens noch denke: wenn tatsächlich 4.000 ausländische Touris zum Hornbill wollen – da kommt die Behörde ja gar nicht hinterher mit ihrem Personal, alle Anträge zu bearbeiten – selbst wenn sie in ausreichender Zeit gestellt werden.
Wir warten jedenfalls erstmal weiter ab und ich beschloss, noch 2 Tage für bestimmte Unternehmungen hier zu bleiben und dann aber auch Nagaland erstmal wieder zu verlassen.