
Der Fensterblick vom Bett aus morgens war schon mal vielversprechend! Ich wollte am 7.11. so gerne in Nagaland sein, weil dann das Tokhu Emong Festival in Wokha ist – eine Art Erntedankfest der Lothas, die hauptsächlich in der Wokha-Gegend siedeln. Wokha ist 2-2,5 Std. Autofahrt von Kohima entfernt – also schaffbar, aber auch doch weit. Der lokale Kontakt schlug vor, ich solle doch lieber in Kohima die Feierlichkeiten anschauen, da würde auch der Chiefminister kommen. Abul vermutete, dass in Wokha deswegen auch nicht so viele Lothas sind, weil die alle in Kohima wären. Da Kohima so langgezogen ist und die Feierlichkeit am anderen Ende ist, nutzte ich wieder Abul seine Dienste und wir fuhren zum Nagaland Baptist Church Council Convention Centre.
NBCC
Die Halle war tatsächlich recht groß, aber so gar nicht, was ich mir unter Erntedank in Nagaland vorstellte….. Doch nach Wokha? Na, erstmal bleiben. Nicht immer gleich wieder rummeckern…. Ich knipste und bekam einen Medienausweis.
Media
Die Halle füllte sich, die Krieger nahmen Aufstellung, die Anzugherren besprachen sich, alle sahen hübsch und festlich aus. Hier wurde eigentlich tatsächlich eher 50 Jahre Lotha Hoho gefeiert. Es fiel nur auf den selben Tag.
Halle
Anzugherren
Krieger
Ein Hoho ist eine Art traditioneller Stammesrat. Es gibt einen für alle Naga-Stämme – und einen für jeden. Sie sorgen für:
Förderung von Einheit und Zusammenarbeit zwischen Stammesmitgliedern
Lösung von Streitigkeiten nach traditionellen Normen
Vertretung gegenüber der Regierung oder anderen externen Akteuren
Bewahrung und Förderung der Kultur und Sprache
Der Hoho von den Lothas wurde vor 50 Jahren gegründet – und deswegen kam auch der Chiefminister zu Besuch um das zu ehren. Er trug einen weißen Anzug.
Ankunft
Begrüßung
Ehre
Das ganze musste tüchtig bewacht werden. Nicht nur vom Militär, auch ein Krieger stand bereit und Anzugherren.
Aufpasser
Beschützer
Es wurden Reden gehalten und die Ehrenmenschen bekamen Geschenke – und was ich lustig fand: manche der Ehefrauen wurden auch beschenkt und per Mikrofon aufgerufen: „The ladywife of xxx please come….“. Wenn es eine ladywife gibt, gibt es dann auch eine gentlemanwife oder einen ladyhusband oder wozu die Verdoppelung?
Diese Ehrungen zogen sich in die Länge und mir war langweilig. Nach diesem Bild:
Abschlussehrungsbild
Beschloss ich, dann doch noch nach Wokha zu fahren, vielleicht würde ich da ja doch noch einige schöne Erlebnisse haben. Um es schon vorweg zu nehmen: ja, die hatte ich!
Leider zog sich die Fahrt in kurvigen schlechten Straßen und wir mussten zwischendrin für einen Kaffee stoppen. So konnte ich schon ein bisschen besseres Lokal sehen.
Fahrt
Lokal
In Wokha war tatsächlich das große Kulturprogramm schon vorbei. Tokhü Emong dauert mehrere Tage, aber nur an diesem einen Tag ist großes öffentliches Programm für alle angesagt. Bei Wikipedia steht dazu einiges – hier ist der link. Eine Sache greife ich mal heraus. Man lädt sich gegenseitig zum Essen ein. Dabei ist die Anzahl der angebotenen Fleischstücke Indikator für die Tiefe der Freundschaft. Bei 12 Stück ist man ganz dolle eng befreundet, bei 6 nur so mittelmäßig bzw. sit die Bekanntschaft eher locker. Mit diesem Ritual versichert man sich, dass man sich gegenseitig hilft, wenn einer in Schwierigkeiten ist. Gut ist natürlich, wenn man beim Gegenbesuch genauso viele Stücke angeboten bekommt.
Es gibt in Wokha einen großen Festplatz mit einer Bühne und vielen Ständen. Da waren immer noch ein paar Leute. Da es die ganzen Tage vorher so viel geregnet hatte, war es dementsprechend schlammig. Das hielt viele Damen aber nicht davon ab, sich auf Stöckelschuhen ihren Weg zu bahnen.
Ballons 1
Ballons 2
Miss
Esskram
Bühne
Ganz toll war, dass ich einen neuen Herren kennenlernte: Pauls aus Kerala. Sreejith kennt ihn und hat uns zusammen gebracht. Er hat eigentlich Ingenieur (u.a. in Neuseeland) studiert und denkt aber, dass wegen der Flexibilität Tourismus vielleicht eine bessere Idee ist. Er findet die Ähnlichkeiten (in diversen Aspekten) zwischen den Maoris und den hiesigen Tribals interessant und stellt sich Tourismus mit diesem Fokus vor. Dafür muss er aber auch selber erstmal Leute für Zusammenarbeit kennenlernen usw. – und deswegen ist er hier.
Die Leute hier schütteln einem oft sehr gerne die Hand. Dieser Herr hatte sogar eine ganz eigene Art damit. Links ist Pauls.
Handschüttler
Bisher finde ich die Leute hier bemerkenswert nett, aufgeschlossen und dezent kontaktfreudig. Als wir rumsaßen kam ein anderer Herr auf uns zu und fragte, woher und warum und ob er uns das hiesige Museum zeigen dürfe. Ja klar! Und da haben wir dann sehr viel gelernt.
Museum links
Guide – mit Teller
Ich weiß gar nicht, wo anfangen….. Vielleicht erstmal damit, dass wir uns wunderten, warum es Sachen aus dem Meer gibt. Es ist nicht so wirklich klar, woher die Lothas kommen – und somit auch nicht diese ganzen Muscheln. Oder haben sie sie eingetauscht? Mit wem?
1
2
Dann gab es einen Pfahl mit wichtigen Symbolen. Diese sind von unten nach oben:
Brüste hat man nicht soooo oft als Symbol in diesen Gesellschaften. Interessant finde ich, dass Bhutan ja nicht sooo weit entfernt ist, dort aber der Penis diesbezüglich eine größere Bedeutung hat.
Pfahl
In diesem Museum gibt es auch eine große Rarität: Prangerstühle! Dort wurden die Bösewichte reingesetzt und der öffentlich Schändung ausgesetzt. Ganz ohne Nägel zusammen gebaut!
Prangerstühle
Nochmal zurück zu den Brüsten. Die Lothas waren, wie die meisten Naga-Stäme, Kopfjäger. Dazu gibt es eine Geschichte (also zu Kopfjägern allgemein):
Früher kämpften die Krieger mit anderen Stämmen und kamen z.T. siegreich heim. Aber die Frauen spotteten: ihr wollt gesiegt haben? Davon sehen wir ja nix! Wen und wieviele habt ihr denn besiegt? Da dachte sich die Männer: OK, dann bringen wir eben Beweise mit – und schleppten Torsi heim. Die waren allerdings schwer und blöd zu tragen und sie waren langsam und die Feinde konnten sie dann doch wieder überwältigen. Also keine gute Idee. Aber was wäre leichter und würde trotzdem von ihrem Sieg künden? Köpfe! Das war praktikabel und so bleib es dabei.
Der Kopf ist auch sehr symbolträchtig. In ihm sitzt die Lebenskraft und die wollte man für sein eigenes Volk und nicht die Gegner! Wenn die eigene Gruppe zu klein wurde, drohte sie, leichter überwältigt zu werden und evtl. sogar auszusterben. Also war Fruchtbarkeit und Lebenskraft sehr wichtig für den Fortbestand.
Prinzipiell waren Speer und Schild die gängigen Kriegswaffen. Aber dann kamen wohl auch seltsame Gewehre zum Einsatz.
Pauls mit Kriegswaffen
Gewehr
Dann gingen wir noch in die Bibliothek nebenan. Unser Guide hatte auch ein Buch geschrieben – dazu hier ein link. Leider konnte ich es nicht kaufen, da er kein Exemplar da hatte. Ich hoffe, ich finde noch ein Exemplar. In der Bibliothek waren lauter englischsprachige Bücher. Das sei die offizielle Sprache hier. Üblicherweise sprechen sie aber „naganese“. Das ist eine Art Kunstsprache und dem assamese sehr ähnlich. Damals wurden viele Tauschgeschäfte zwischen den Nagastämmen und den Assamese betrieben – und dafür bedienten sie sich einer eigenen ausgedachten Sprache. Die sie eben auch noch heute sprechen, aber offiziell ist sie nicht.
Bibliothek
interessante Buchnachbarn
Ich war total voll mit lebendigem Lernen, es hat mir viel Spaß gemacht mit den beiden Herren – aber die Erlebnisse gingen noch weiter! Wir sind wieder zurück zum Festplatz.
Neben vielen Essensbuden gab es sehr sehr viele Glücksspielbuden. Dabei wurden Karten auf Felder verteilt auf die man vorher gesetzt hatte. Und wenn 3 aufeinander folgende Karten auf einem Feld landeten, hatte man gewonnen. Bei den meisten konnte man Enten gewinnen – so wie hier:
1
2
Gewinn
Gewinner
Wir wurden auch aufgefordert, unser Glück zu versuchen. Aber was wollen wir denn mit einer Ente? Bei einem Stand gab es auch eine Palette Eier zu gewinnen und damit erlag ich dann dem Spielfieber! Ein Feld kostet für Eier 30 INR. Ich nahm 5 Felder – und mein Gegenspieler ebenfalls. Und – tatütata!!! – ich habe gewonnen! Eine Palette Eier für einen Einsatz von 150 INR (kostet wohl sonst eher 250 INR).
Spiel
Gewinnüberreichung
Die Siegerin
Man hat hier sehr schnelle viele neue Freunde – besonders auf Fotos. Es gab eigentlich noch viel mehr an Kleinigkeiten und Beobachtungen, aber der Blogpost ist ja jetzt schon voll lang. Von daher nur noch das Ende. Die Bühne wurde nämlich wieder belebt und zwar mit musikalischen Darbietungen. Bemerkenswert der erste Künstler:
demnächst ein Star?
Der Junge spielte virtuos „The river flows in me“ von Yiruma und weitere Stücke und guckte dabei so abgeklärt und cool, das war schon speziell.
Und dann war doch Abschied angesagt. Es wäre noch toll weiter gegangen mit mehr Musik, die Leute strömten wieder auf das Gelände, aber ich war schlapp. Und noch mind. 2 Std. Fahrt vor mir.
Fazit des Tages: richtig toll! Viel erlebt, freundliche Leute, Sachen gelernt – eigentlich hätte es nicht besser sein können. Außer dass ich leider die Tanzdarbietungen u.ä. am Vormittag in Wokha verpasste.