Nepal 2024 – Nachgedanken

Mai 2024

Was für eine Reise! Ich glaube, ich hatte noch nie so viele Schwierigkeiten und haderte so oft. Und begreife es auch nicht so ganz wirklich, warum die Nepalbegeisterung einfach nicht überspringen will. Also einige Punkte hab ich ja schon während der Trekkingposts erwähnt, d.h. der Bergtourismus gefällt mir nicht so. Die Strecke zum Everest Base Camp potentiert das sicherlich um Einiges. Währenddessen war ich diesbezüglich oftmals recht emotional. Ich fühlte mich so fehl am Platz mit dem, wie ich es gerne mag und komme mir so verloren vor, wenn um mich herum es eher so scheint, als ob alle anderen sich freuen.

 

Wenn ich vor einem Jahr in meinem Fazit zur Annapurna-Runde schon das Gefühl hatte, ein miesepetriger Meckerpott zu sein, gilt das diesmal noch viel mehr. Trotz alledem finde ich es eine super Gelegenheit, das alles zu betrachten. Also was in meiner Gefühls- und Gedankenwelt abgeht und was ich meine zu beobachten. Leider fällt es mir noch schwer, das wirklich zu benennen und zu formulieren. Ganz oben an der Oberfläche waren definitiv diese Gefühle von „ich will nicht, dass es in diese Richtung geht“ (weder hier noch in den Alpen). Dann denk ich aber auch: es hat schon ziemlich viel mit Moral und Lebensvorstellungen zu tun. Und wer bin ich, dass ich meine, dass meine Sichtweise „korrekter“ ist als die der anderen. Und habe ich überhaupt eine Lösung dafür? Ich blieb leicht bei einem „so nicht“ stehen und kann noch nicht das „was dann“ sehen.

 

Dass Menschen in die Berge gehen und dort die Natur erleben finde ich ja prinzipiell gut. Auch ist es gut, dass es Hilfsmittel gibt und nicht alle mit eigenem Essen und Zelt herumlaufen müssen – das könnte ich nämlich auch nicht und mir würde viel verwehrt bleiben. Außerdem ist es ja auch prima, wenn andere Leute (die z.B. ärmer und vor Ort sind) ein Angebot machen und man sie für dieses bezahlen kann. Dann haben sie auch was davon, wenn man durch die Berge läuft. Und wenn allgemeine Bequemlichkeiten errichtet werden wie Straßen und Brücken, kommt das ja auch denen zugute, die nix mit dem Tourismus am Hut haben. Nur die (für mich) große Frage: wo ist die Grenze? Ab wann kippt etwas? Ab wann wird es etwas unanständig? Ab wann entsteht mehr Schaden als Nutzen und für wen?

 

Ich lese gerade ein Buch: Sherpa von 2 nepalesischen Autoren. Da geht es z.B. um die Anfänge der Expeditionsbergsteigerei und der faszinierenden Möglichkeit, etwas mehr Geld zu verdienen als mit dem Tauschhandel mit Tibet und der kargen Feld- und Viehwirtschaft. Und wie es dann irgendwie umsprang von Leuten, die die Berge als mühseligen Arbeitsort ansahen dazu, eine eigene Art Liebe und Ehrgeiz zu entwickeln zum Bergsteigen. Es kommen sehr spannende Lebensgeschichten darin vor und ich bin aber noch lange nicht durch. Jedenfalls fällt mir dazu oft eine Geschichte in den Kopf. Vor vielen Jahren war ich mal in Ladakh in einem Lokal, wo ein ca. 10jähriger Junge arbeitete. Warum er denn nicht zu Schule gehe? Er sei Nepali und von seinen Eltern zum Arbeiten geschickt worden. Ich regte mich auf: so weit weg! So jung! Wie können die Eltern das machen? Mein Kollege Tundup erwiderte darauf nur „Du weißt nicht, was wirkliche Armut ist“.

 

Und der Satz hat gesessen. Ich weiß es wirklich nicht, für mich gab es immer zu viele Möglichkeiten und unser Sozialsystem lässt einen sowieso nie so arm werden, dass man seine Kinder wegschicken muss, weil sie dort mehr zu essen bekommen als man selber ihnen bieten kann. Und so denke ich es auch hier – außer dass ich weiterhin finde, dass die Regierung mehr Verantwortungsbewusstsein haben sollte und in der Lage wäre, es anders zu regeln. Aber eben: weiß man wirklich, wie alles genau zusammenhängt? An welchen Hebeln wie gedreht werden muss? Und wie man Leute dazu bringt, es zu tun?

 

mit Schwester von Tenji (ich habe keine Beule am Handgelenk, das täuscht)

 

Zumindest scheint sich für viele die Arbeit im Tourismus mehr auszuzahlen als andere Arbeit, die sie mit ihren Möglichkeiten machen könnten – jedenfalls sind hier ja viele beschäftigt wie ein Teil von Tenjis Familie.

 

Und ich kann vielleicht mit meinen kleinen Minimitteln im Tourismus irgendwas tun dass es mehr in die Richtung geht, in die ich gerne gehen würde.

 

in Phaplu

 

Weil, ich war ja da, weil ich nun bei Diamir anfange zu arbeiten. Und somit war die ganze Reise sowieso sehr speziell. Es war eine halbe Arbeitsreise die zum Ende hin immer mehr Arbeitsreise wurde. Das Verrückte ist: ich kann kaum noch reisen ohne zu arbeiten. Es bringt mir wenig Spaß. Außer eben in den Bergen rumlaufen, das bringt viel Spaß. Mir zu überlegen, wie etwas bei organisiert Reisenden ankommt, wie man es schafft, dass sie Spaß haben (und von mir aus sehr gerne: unerwarteten Spaß), wie sie ein bisschen mehr mit heimnehmen als Fotos von Sehenswürdigkeiten, wie es auch für die Leute vor Ort passend ist usw., das ist irgendwie in mir drin und eine der Tätigkeiten, die mir die liebsten sind. (Außer Unterkünfte angucken, das mag ich nicht so). Und dazu hatte ich jetzt Gelegenheit. Allerdings nicht so sehr Neues zu entdecken sondern dass zu erleben, was es schon als Programmpunkte gibt. Und ich war auch das erste Mal nicht für mich unterwegs sondern ein Neuzugang in einem bereits bestehenden System (welches aber natürlich veränderbar ist).

 

Mir schien, ich wurde zuerst ein wenig misstrauisch beäugt. Wir waren verhalten miteinander. Aber das gab sich irgendwann. 1 Woche vor Arbeitsstart wachte ich auf und war völlig aufgeregt und erzählte es Hotelbesitzerin Pema. Die lachte und sagte: keine Sorge, die gehörst doch jetzt zu uns! Und damit gab sie mir tatsächlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein sondern zu etwas zu gehören. Auch wenn ich nur die paar „uns-Leute“ in Nepal kennengelernt hatte. Mir wurde immer mehr unter die Arme gegriffen, meine Bemühungen, schnell viel kennenzulernen gut aufgenommen. Dabei war ich ganz schön unsicher, wie man diese Rolle eigentlich ausfüllt: quasi schon zu arbeiten ohne auch nur eine Stunde direkt in der Firma tätig gewesen zu sein. Jedenfalls fühlte sich vieles am Ende in Nepal vertrauter an und durch die dortigen Leute veränderte es sich. Ich kannte das von anderen Orten, denen ich nicht so positiv gegenüber stand – bis ich direkt Leute kennenlernte und mehr mit denen zu tun hatte. Mein ganzes unangenehmes Gefühl hinsichtlich meiner Kritik am Nepal/Everesttourismus und meinen neuen Job verflüchtigte sich nicht ganz, aber es relativierte sich. Ich freue mich auch darauf, mit anderen gemeinsam mehr über alles nachzudenken und zu diskutieren. Aber erst einmal werde ich lernen.

 

Und von Nepal habe ich schon viel gelernt. Trotz dass ich weiterhin das Gefühl habe noch ganz am Anfang zu stehen. Ich flog jedenfalls nicht mit schlechten Emotionen heim sondern mit Neugier, was ich noch alles über Nepal herausfinden würde und evtl. auch noch erleben würde. Nur: in das Everest-Gebiet und über die Hillary-Bridge geh ich nie wieder! Das hab ich ja nun zum Glück hinter mir.

 

Juhu! Meine Hotels!