Phakding -> Namche Bazaar – das große Drama

10. April 2024

 

Ich startete in den Tag mit dem Bewusstsein, eine Art „Kampftag“ vor mir zu haben. Und so kam es auch. Dabei begann es erst einmal ganz hübsch: ich gehörte zu denen, die als erstes aufbrachen und so hatte ich noch eine zeitlang etwas Ruhe und Morgenstimmung bis dann wieder die Luft von Motorengebrumm erfüllt war und die Menschenmengen mich einholten. Es standen 5 Brücken an. Bei der ersten war ich tatsächlich allein und konnte gut hinüber eilen. Es gab auch ein paar kleinere feste Brücken, die machen mir gar nichts.

 

Brückenschatten

 

Es gab ein öffentliches Klo und ich musste so über die Piktogramme schmunzeln.

 

Poo and Pee

 

Und dann kamen sie auch schon angerückt, die Mengen. Leider funktioniert einfach ganz schnell wandern mit meinen kurzen Beinchen nicht so gut. Außerdem trödel ich ja gerne und gucke hier und dort.

 

Wandernde

 

Hier gucken

 

Dort gucken

 

Ein hübsch blühender Baum diente viele Leuten als Fotomotiv.

 

Blühender Baum

 

Bei den nächsten Brücken war klar, dass ich es nicht schaffen würde, dort alleine zu gehen, zuviel Verkehr. Also neue Taktik: Augen zu, rechte Hand an Rehling, linke Hand an Tenjis Rucksack und dann gemeinsam. Es schaukelte und war nicht schön, aber bewältigbar. Nur war es besser, wenn keine Pferde gleichzeitig da waren.

 

Brücke 3

 

Ich stülpte mir oft die Kopfhörer in die Ohren, hörte fröhliche Musik und ging mit Tunnelblick durch die Menschen. Also Berggenuss geht eindeutig anders. Machte den anderen das Spaß? War es denen egal? Mir schien, ich war der einzige Griesgram unterwegs und kapierte die Bergwelt nicht.

 

Wanderpfad

 

Dann gab es einen Checkpost mit Eintritt in den Sangarmatha Nationalpark, die wurde geguckt, dass man keine Drohne dabei hat, ermahnt keine laute Musik zu hören (woran sich viele Porter nicht hielten) und sonstiges Regelwerk zu beachten und man musste 5000 NRP (= 36 Euro) zahlen.

 

Checkpost

 

Es ging weiter mit Brücke 4:

 

vor der Brücke

 

auf der Brücke

 

Und dann sah ich Brücke 5, die Hillary Bridge. Man hatte sie neu über der alten installiert, 135 m über dem Boden. Es war nachmittags und windete und ich bekam es ziemlich mit der Angst zu tun. Und überlegte ernsthaft, hier jetzt doch sofort umzudrehen. Aber was statt dessen tun? Ich wollte mir doch unbedingt selber ein Bild von diesem sehr beliebten Trekkinggebiet machen. Also weiter, erst einmal die 135 m hoch.

 

Hillary Bridge

 

Ich finde, auf dem Bild kommt die Höhe nicht so richtig raus. 135 m sind 35 m mehr als die 100 m Laufbahn beim Sport früher. Und das Ziel war ganz schön weit weg. Das sollte nun also alles als luftleerer Raum zwischen mir und dem Fluss sein. Oben stand man erstmal Schlange:

 

Brückenschlange

 

Den ankommenden Gegenverkehr konnte man leider nicht wirklich erkennen. Ich nahm alle meine Tapferkeit zusammen, klammerte mich an Tenjis Rucksack und die Rehling und wir schoben los als es so aussah, als ginge es mit den Menschenmengen. Und dann ungefähr mitten auf der brücke passierte es: Pferde von vorn. Tenji rief: stell dich an die Seite, wir müssen sie vorbei lassen. Und ich hatte eine Panikattacke. Ich zitterte, weinte, schrie, bewegte mich keinen mm an die Seite, wurde von Pferdegepäck angestoßen, wusste die ganze Zeit um die 135 m Luft unter mir (es macht dann nix zu wissen, dass man eigentlich nicht runterfallen kann, weil dicker Maschendraht bis zur Brust ungefähr einen schützt) und ließ meine Augen zugekniffen. Es waren sehr schlimme Minuten in meinem Leben. Irgendwann konnten wir weiter und ich fiel auf der anderen Seite auf den Boden und zitterte und zitterte weiter und die Tränen schossen heraus – und ich wusste, dass ich ja genau hier wieder zurück müsste, Es gibt keinen anderen Weg (später fanden wir doch eine Alternative, aber die war auch keine gute Idee, da zu steil und Wegschäden).

 

Tenji war auch voll fertig, sowas hatte er noch nicht erlebt und fühlte sich irgendwie schuldig. Die ganzen Porter und Pferdeleute schienen mir verständnislos zu starren. Ich hatte in meinem Leben 2 so Art Anfälle: 1 x im Flugzeug in Laos, 1 x in einer Höhle in einem Kriechgang. Ich bemühe mich, mit Ängsten so umzugehen, dass ich das, was ich will, doch irgendwie bewältigt bekomme mit Strategien und vieles will ich auch gar nicht (wie Fallschirmspringen oder so). Aber manchmal kippt dann etwas.

 

Und in Namche waren wir noch lange nicht, da warteten noch 500 Höhenmeter auf uns (Ziel ist 3.5000 m hoch). m Nachhinein frage ich mich, woher ich eigentlich noch diese Kraft nahm. 1/3 hat Tenji meinen Rucksack getragen, das war mir aber auch nicht so ganz recht.

 

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Ankunft in Namche

 

In Namche war die Unterkunft ganz am oberen Ende und ich war so kraftlos, dass ich erstmal mit einem heißen Kakao auftanken musste:

 

Hot Chocolate

 

Mir war weiterhin zittrig kalt und ich merkte, wie ich mich nach Warmherzigkeit, Berührung und Umhüllung sehnte. Bekam ich aber nicht. Tenji war überfordert und die Lodgefrau wirkte so, als sei ich eines dieser nervigen Dummchen, die zu hoch hinaus wollen und dann hat man die Scherereien mit solchen. Auch wenn sie mir anbot, dass sie ja die ganze Nacht für mich erreichbar sei. Allerdings sagte sie nicht, wo ich sie finden könnte.

 

Ich war fertig mit der Welt und wollte nie nie nie wieder Trekking in Nepal machen! Diese kack Brücken! Und überhaupt! Und ja, ich kann mich alleine irgendwie durchkämpfen und krieg es dann irgendwie auch hin – aber irgendwie ist diese Kämpferei auch anstrengend. Also wie ich schon am Morgen vermutete: es war ein Kampftag gewesen. Und der hat mir dann noch ein weiteres Andenken verpasst, was ich aber erst am nächsten Morgen merkte.