Von Rampur aus wollte ich nach Chandigarh fahren, das war schon mal dichter an Delhi dran. Ich gelangte zum Bushof und musste mich mit der Frage befassen: Direktbus nach Chandigarh, der vielleicht in 1,5 Std. starten würde (er kam von woanders) oder auf Nummer sicher und erstmal nach Shimla und von da den nächsten Bus. Ich entschied mich für zweiteres. Der Bus hatte seine Schwierigkeiten. Es war viel Bergstrecke und manchmal bekam der Fahrer einfach nicht den 1. Gang zu fassen am Berg und rüttelte und stocherte mit dem Schalthebel rum. Es war eine bisschen anstrengende Fahrt, aber irgendwann zu Ende. Klo, was zu essen – und schon gab es den nächsten Bus nach Chandigarh. Der war flotter unterwegs. Ich war die Strecke auf der Hinfahrt schon im Dunkeln hochgefahren, jetzt ging es im Hellen runter und ich konnte sehen, wie toll die Straße ausgebaut, aber von zig Erdrutschen eingeschränkt war. Neben mir eine Mutter mit Kleinkind. Das saß lange sehr stumm bei ihr auf dem Schoss, rutschte dann mal runter, wieder hoch, aber alles sehr sehr im Rahmen – und sprach auch kaum. Ich überlegte dann, wie es wohl kommt, dass z.B. in Bussen die Kinder hier viel ruhiger und geduldsamer sind als wie ich es von deutschen Kindern vermute. Keine Idee. Und in meine Überlegungen rein entschuldigte sich dann die Mutter, dass ihr Sohn „very naughty“/ungezogen sei mit seinen Bewegungen. Das sagt man hier schnell zu Kindern, wenn sie etwas aktiver sind. Es gibt zwar auch Kinder, die ich als „naughty“ empfinde, aber nicht so viele. Meistens männliche Kackbratzen von neureicheren Eltern. Hahaha.
Die nette Mutter gab mir noch Anweisungen, wo ich rausgelassen werden solle um besser zu meinem Hotel zu gelangen. Es gibt in Chandigarh Ola-Taxiservice, das ist sehr hilfreich. Ich stand dann an einer dunklen Landstraße und das gerufene Taxi kam an – und war ein Glücksgriff. Der Fahrer sprach zwar wenig englisch, erkundigte sich aber genauer, was ich an der angegebenen Adresse wolle, es sei keine gute Gegend. Ich hatte die Unterkunft bei booking.com vorgebucht, ein Tickchen teurer, aber sehr gemütlich aussehend und mit 3 guten Rezensionen. Wir dachten dann, es sei eine gute Idee, direkt dort anzurufen wegen genauer Lage (die Adresse war nur vage angegeben (Straße ohne Nummer -> eigentlich seltsam….), aber mit einem Markierungspunkt auf der Landkarte). Und dann wurde es wirklich seltsam: bei der angegebenen Rufnummer meldete sich ein völlig anderer Mensch ohne Unterkunft aus einem anderen Ort. Auf eine Nachricht wurde nicht reagiert. Ich war vorher nie auf die Idee gekommen, dass es bei booking.com Fakes gibt und verstehe auch den Sinn dahinter nicht – aber dieses war tatsächlich einer!
Pflichtbewusst fuhren wir erstmal zu der Landkartenadresse und erkundigten uns dort. Niemand kannte ein Hotel und es sah so aus:
Ich hatte ein längeres umständliches Telefonat mit booking.com. Die Dame erreichte einen Besitzer und sagte, er würde mich in 30 min zurückrufen. Sie würde sich dann auch nochmal bei mir erkundigen. Beides geschah natürlich nicht. Dem Fahrer tat das alles sehr leid und er fühlte sich verantwortlich für mich und wir suchten dann nach einer preisakzeptablen Alternative – und fanden eine. Ich vermute ohne Kommission – der Fahrer war wirklich sehr lieb und verlangte am Ende einen absolut korrekten nicht-teuren Preis. Dabei waren wir wirklich relativ lange unterwegs. So hatte ich Unglück und Glück in einem – wie schon öfters mal.
Der neue Hotelmanager war ein bisschen lustig – er versicherte mir andauernd, dass ich in seinem Hotel sehr sicher sei und keine Angst haben müsse. Ich versicherte stets zurück, dass ich keine Angst habe. Später dachte ich dann nochmal über Angst nach und ob ich mir eigentlich was vormache und doch welche habe. Ich tu es wohl in zwei Kategorien einteilen: Angst nenne ich es, wenn mir wirklich das Herz in die Hose rutscht wie bei der Busfahrt mit den steilen Abhängen und bei Flugturbulenzen und wenn ich in manchen Situationen Höhenangst bekomme und auch schon mal mit zitternden Beinen mich irgendwo festklammer. Dann gibt es Befürchtungen, dass ich mir etwas Unangenehmes ausmale wie nachts allein in hässlicher Umgebung zu landen und keine Hilfe zu finden, Stress mit verpassten Transportanschlüssen zu bekommen, mich nicht verständlich machen zu können, mich in den Bergen zu verletzen, Handy/Geld/Dokumente zu verlieren (nein, Stehlen und Raubüberfall sind nicht in meinen Gedanken) und so Kram. Aber das passiert nur in meinem Kopf und bisher nicht so in der Wirklichkeit.
Also zurück nach Chandigarh. Ich war schon mal zum Besichtigen da und einmal hatte ich Freundin Dolma dort besucht, als sie noch studierte. Chandigarh ist eine sehr angenehme Stadt mit großzügigen Straßen und Anlagen, viel grün und weniger Luftverschmutzung. Ich hatte diesmal zwei Sachen vor: 1. Decathlon-Shopping (die sind in Indien auch gut aufgestellt und noch etwas günstiger als in Deutschland) und 2. Treffen eines Ex-Kamerakidz aus Zanskar, welches hier studiert. Außerdem stellte ich fest, dass man über Ola auch ein „Motorradtaxi“ rufen kann, das wollte ich auch sehr gerne ausprobieren.
Nach Decathlon klappte das schon mal nicht mit dem Motorradtaxi, aber eine Autorickshaw fuhr mich. Ich kaufte ein und es war eher nix darüber zu erzählen. Am Nachmittag ein neuer Versuch mit Ola-Motorradtaxi: es war einer gefunden, er bewegte sich in meine Richtung, aber kurz vor Ankunft löschte er sich wieder. Der nächste bewegte sich nicht von der Stelle. Es ist mit dieser Taxi-App nicht so wirklich einfach und manchmal muss man ganz schön warten, bis tatsächlich jemand vor einem hält. Das ist nicht nur in Chandigarh so sondern auch in Delhi und auch nicht nur mit dieser Taxi-App sondern auch mit anderen. Dafür sind die Preise wirklich günstig und man ist registriert. Ich fuhr also mit einem Autotaxi zum Treffpunkt. Der Fahrer hatte ein kleines Tablet in seinem Auto wo er auf Youtube Punjabi-Musik hörte. Ob ich mal ein deutsches Video anmachen könnte? Nach 2 Vorschlägen (Nana Mouskouri und Hubert von Goisern) war er nicht so begeistert und schaltete wieder auf Punjabi um.
In einem Café traf ich dann Lobsang Stobdan – er war 2 Jahre in meiner Fotoklasse gewesen. Ein witziger umtriebiger eher kleiner Junge, der es aber vermied, mit mir zu reden. Englischsprachige Schüchternheit. Er war damals 13 oder 14 – und jetzt war er 24 und nicht so wirklich wiederzuerkennen. Er war noch tüchtig gewachsen, studiert Wirtschaft, sprach und fragte viel und hatte den guten Vorsatz, in Zanskar geschäftlich erfolgreich zu werden. Die bisher kennengelernten studierten Zanskaris suchten ihre berufliche Zukunft bisher eher außerhalb Zanskars. Keine Lust mehr auf das harte Leben daheim – und Jobs gibt es eben auch eher wenige. Aber es gibt ja jetzt Straßen und somit gute Chancen, dass das Leben daheim attraktiver wird.
Für die Rückfahrt zur Unterkunft probierte ich es wieder mit einem Motorradtaxi. Es wirkte zuerst als würde keines gefunden werden. Ein älterer Herr kam auf uns zu und fragte, ob es Probleme gäbe und fing dann an zu erzählen dass er 1961 mal in Deutschland war und da habe er gemerkt, wie amifeindlich es dort sei, immerhin hätten die Amis ja auch Deutschland in Schutt und Asche gelegt – da hätte es ausgesehen wie jetzt im Gazastreifen. Dann kam die Meldung, dass doch ein Motorrad gefunden sei und der Herr schlurfte wieder von dannen.
Das Motorradtaxi hatte einen Helm für mich dabei und so brauste ich mit ihm durch die Nacht und fand es wirklich prima, da man sich leichter durch den dicken Verkehr schlängeln konnte.
Am nächsten Morgen gingen die Erlebnisse weiter. Ich wohnte etwas außerhalb Chandigarhs auf dem Weg nach Delhi und mir war nicht ganz klar, wie ich nun zu einem Bus nach Delhi käme, ob ich wieder zurück in die Stadt müsse oder wie oder was. Der sicherheitsbewusste Hotelmanager meinte, ich könne zu einem Ort hier fahren und da einen Bus aufgabeln. Allerdings war es schon wieder mit den Taxen schwierig – und so nahm er mich kurzerhand mitsamt Gepäck auf sein kleines Moped und fuhr mich zu einer Stelle an der Straße, wo diverse Menschen rumstanden und auch paar Autos. Ich könne entweder einen Bus anhalten – oder auch ein Shared Taxi nehmen. Unter 10,- Euro. Ich dachte, damit sei ich viel schneller und unkomplizierter in Delhi – aber weit gefehlt. Es war eine schlechte Entscheidung. Erstmal langes Warten auf weitere Passagiere. Als ich dann doch auf Bus umschwenken wollte, war das Auto schwupps voll, man diskutierte noch hin und her, aber dann ging es endlich los.
Ich saß vorne, was nicht schön war, da der Fahrer leider heftig Achselschweißgeruch verströmte. Als jemand hinten ausstieg, setzte ich mich um. Dann hielten wir bei einem dubiosen Stand, der Mauttags für die Straße verkaufte und der Fahrer konnte aber nicht einfach einen kaufen sondern man machte hier rum und dort rum und es dauerte und ich war grätzig und irgendwann ging es doch weiter. Einige Leute waren recht kurze Strecken mitgefahren was dazu führte, dass der Fahrer jetzt neue einsammeln wollte und immer in Ortschaften langsam neben der flotten Straße fuhr und sein Fahrziel hinausbrüllte und sich aber niemand wirklich fand und so verloren wir weiterhin Zeit. Beim Mittag war die Ansage 20 min, aber als wir uns am Auto versammelt hatten, fehlte ein Passagier – er hatte sich viel zu spät für eine Essensbestellung entschieden und war somit noch nicht fertig. Warten. Irgendwann kamen wir dann doch in Delhi an, aber es hatte viel viel länger gedauert und war natürlich teurer als der Bus und ich zog die Lehre daraus, dass Shared Taxi nicht immer eine gute Idee sei. Besonders nicht, wenn es auch Busse gibt.
In Delhi fand ich über Ola einen Rickshawfahrer und wir fuhren zu meinem Cousin, der aber schon halb auf dem Sprung nach draußen war. Ich ging zum Friseur usw. – und mal schauen, was mich noch die letzten 2,5 Tage in Delhi erwartet!