Tbilisi – rührt mich an

14. – 16. Juni 2023

 

 

Hier ist nun meine bisher 4. Unterkunft in Tbilisi. Es ist auf dem unteren Bild das Fenster über der AirCondition.

 

Zimmer oben

 

Und wieder bin ich fasziniert wie gammelig und kaputt ein Haus mit Flur usw. ist – und wie angenehm es aber hinter der Wohnungstür ausschaut. Ich habe ein kleines Zimmer mit riesigen Wänden. Würde man es einmal umkippen, wäre die Fläche wahrscheinlich größer als wie ich sie jetzt habe. Der Besitzer hat es perfekt hergerichtet mit 5 angenehmen Zimmern, Gemeinschaftsbad, Gemeinschaftsküche mit allem Drum und Drin und sehr sauber.

 

Ich hatte einiges am Laptop zu tun und so nutzte ich die Vormittage dafür, ging zum Mittag raus und bummelte danach rum. Und zwar super langsam. Und habe mir alle Gebäude ziemlich genau angeschaut. Und dabei bemerkte ich: soooo viel Schönheit! So viele Details, Verzierungen, Größe, An-, Um- und Neubauten, verschiedenste Materialien, Kombinationen. Wenig sah gleich aus.

 

Bisher dachte ich, ich finde die Haus- und Innendeko in Indien am Schönsten. Tbilisi kratzt da gerade arg dran. Und ich merke: Schönheit rührt mich. Ich bin tatsächlich den Tränen nah. Kann das sein? Spielt der Verfall eine Rolle dabei? So viel kaputt. Oder dabei, kaputt zu gehen. Und dieser Verfall, der ist aber auch so schön. So eine abgeplätterte Wand mit Mörtelrissen und berstendem Holz – das mag ich leiden. Und drittens massig Graffities. Die zeigen mir, dass da Menschen sind, die mit ihrer Umgebung im Kontakt sind, mit ihr interagieren, Botschaften aussenden, Verschönern, sich bemerkbar machen.

 

Zuerst fand ich ja solche Fotos blöd – zu viel gesehen, zu leicht zu fotografieren. Aber dann dachte ich: doch, ich möchte es gerne festhalten und für mich bewahren. Und so gibt es hier erstmal massig Häuser zu gucken:

 

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Das alles und noch viel mehr befindet sich jetzt nur westlich vom Fluss. Östlich ist auch noch viel und hier bin ich auch noch nicht jede Straße abgegangen, aber ich gehe ja auch langsam und habe nicht sooo viel Zeit. Bei manchen Häusern habe ich mir Details rausgepickt:

 

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Wenn man nicht aufpasst, fällt es vielleicht wirklich in absehbarer Zeit zusammen. Manches wurde auch schon abgerissen und neu gebaut. Aber wie macht man es, dass es stabil wird und aber den Charakter nicht verliert? Vielleicht so?

 

außer den Aufbau oben

 

Aber die Häuser sind nicht nur von außen bemerkenswert, in manche konnte ich auch rein:

 

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Die beiden letzten sind aus dem Museum of Books. Da gab es auch eine kleine Ausstellung und diesen Gang:

 

Archiv

 

Und der Säulengang außen sieht so aus:

 

Säulengang

 

Hier ist noch so ein großes Gebäude, aber keine Ahnung, was das ist oder war. Auf den Vordertreppen wird jedenfalls Zeugs verkauft – und zwar schon seit mindestens 2008, da habe ich das auch schon gesehen.

 

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Neben den Gebäuden begegnet einem aber auch sonst noch einiges in der Stadt:

 

Brunnen

 

Wäsche und Gebüsch

 

Blumenmarkt

 

Modernes

 

Pflanzen

 

Laufjunge

 

Was ich an Tbilisi auch mag ist, dass es eindeutig Katzenstadt ist. Es gibt zwar auch Hunde, aber eben sehr viele Katzen:

 

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Und dann begegnet man auch noch Überraschungen. Unter einer Autobrücke gehen die Leute zu Fuß entlang und da war eine Fotoausstellung, die ich mir genau angeschaut habe. Es waren immer Fotoprojekte vom Kolga Photo Award. Einige Deutsche waren auch dabei, z.B. Andrea Diefenbach. Am besten und auch wieder anrührendsten fand ich aber das Projekt von Valery Poshtarov, der für sein Projekt „Father and Son“ beiden bat, Hand haltend für ein Foto zu posieren. So schöne Bilder!

 

Fotoausstellung

 

Andrea Diefenbach

 

dient nur als Notiz – besser den link anklicken!

 

Am Ende gab es eine Durchführung, in der waren viele Graffities und ein Gitarre spielender Mann, der mir auch zu Herzen ging. Ich gab ihm Münzen, er fragte, wo ich her sei, sprach ein paar deutsche Worte – seine Frau sei Deutschlehrerin – und spielte mir ein deutsches Lied: „Oh Tannenbaum“. Wir haben beide gelacht.

 

Gitarre spielender Sänger

 

Außerdem war ich noch mit Nicki essen, die mich in ein unfotografiertes super schönes Lokal führte mit super leckeren Khinkalis. Wir haben nachgedacht über Georgien. Sie hat sich über die neue Kulturministerin aufgeregt, die fähige gute Leute entlässt und mit „linientreueren“ nachbesetzt. Kündigungen sind an der Hausordnung und es herrscht Angst. Es sollte eine Demo an dem Tag geben gegen die Entlassung eines sehr beliebten „Minister“ für Kino (wie heißt der Posten?), der sogar vom Goethe-Institut noch eine Auszeichnung bekam. Der anvisierte Nachfolger hatte Gefängnisse unter sich und eher wenig Ahnung von Kultur. Allerdings kam niemand.

 

Außerdem redeten wir noch bisschen über die „georgische Suche nach Eigenbestimmung“. 70 Jahre Sowjetunion sitzen tief. Wer ist man eigentlich abgesehen von den Zuschreibungen, die Russland gemacht hatte? Und was für eine Gesellschaft mit was für Menschen mit welchen nationalen Identitäten möchte man sein?

 

Ich selber merke, wie meine Weltordnung immer noch durcheinander ist. Ich wuchs mit der Europa-Asien-Grenze am Bosporus auf. Alles östlich war für mich Asien. Wie kann Georgien europäisch sein wollen? Die Häuser passen mir dann aber doch eher nach Europa als in den mittleren Orient oder so. Aber wie „asiatisch“ ist Russland eigentlich. Russland ist eben Russland und irgendwie was Eigenes. Ich merke mein Bedürfnis die Welt einzuteilen und zu sortieren – dabei widerstrebt mir das doch eigentlich. Ich merke auch leicht, wie sehr „westdeutsch“ ich in meinem Denken bin und mir (glücklicherweise) Erfahrungen mit totalitären Regimes fehlen. Auch bemühe ich mich immer noch den Imperialismus Russlands wirklich zu verstehen. Und wie es einem dann in der Zwangs-Sowjetunion ergangen sein mag. Und wie man sich danach neu sortiert – bzw. wahrscheinlich eher danach ringt. Jedenfalls macht mich das alles ganz durcheinander – was wahrscheinlich zu meiner Anrührung dazu gehört.

 

Ich hab ja noch ein bisschen Zeit. Morgen starte ich mit 2 Leuten für eine Woche in eine neue Gegend und bin schon sehr gespannt!