Tuura Suu + Kara Taala – Lehrkräfte, Kommunikation und Mauern

10. – 12. August 2023

 

 

Am Abreisemorgen wurde unser Gepäck in die Packtaschen getan und von unserem Gastgeber zum Auto geritten. Wir folgten zu Fuß. Dann fuhren wir das Tal weiter entlang durch mehrere Dörfer. Die Dörfer hatten immer Asphaltstraße, dazwischen war Staubpiste.

 

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Irgendwann wurde die Staubpiste schlechter bzw. es wurde eine Schotterpiste und wir hatten einen Platten:

 

platter Reifen

 

Der wurde ausgetauscht und wir fuhren zu unserem Ziel Tuura Suu. Es sah aus wie das hinterletzte Dorf im Tal – aber man konnte dahinter doch noch was sehen.

 

Straße

 

Tuura Suu hat ca. 120 Familien und einige leerstehende Häuser von abgewanderten Menschen. So wirklich viel gab es hier nicht zu arbeiten bzw. zu arbeiten schon, aber nicht viele Verdienstmöglichkeiten. Wir starteten zu einem Spaziergang, aber ich kam nicht weiter als bis zum Friedhof. Es war mir irgendwie schon wieder zu heiß.

 

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Wir sind hier ja in einem muslimischen Land, d.h. eigentlich Bildertabu. Unser Gastgeber vermerkte dann auch, dass er es gar nicht gut findet, dass die Leute auf ihren Grabmalen Bilder haben – Name und Daten reichen vollkommen aus. Am besten sind sogar sogar Steinhaufen ohne was. Sie haben eine Moschee direkt vor der Haustür. Der Hausherr geht ca. 1 x pro Woche hin. Sein einer Sohn, der woanders wohnt, geht 5 x täglich. Nach dem Essen bedankt man sich dafür und erhofft sich eine ebenso feine nächste Mahlzeit.

 

Moschee

 

Diese Moschee wurde vor ca. 10 Jahren gebaut. Am nächsten Tag spazierten wir mit unserem Gastgeber zur Schule. Er war früher Direktor dort und jetzt in Pension. Die Schule war geschlossen wegen Ferien, die hier 3 Monate von Juni – August dauern. Man nützt aber diese Zeit für Renovierungen und so war offen und wir konnten gucken. Schulen gehen bis zur 11. Klasse. Diese hatte über 100 Kinder und gehört laut dem Ex-Direktor zu den 10 besten Landesschulen. Aber vielleicht auch eher nur zu den 10 besten Dorfschulen? Einen schlechten Eindruck machte sie jedenfalls nicht auf uns. Es gab spezielle Räume für bestimmte Unterrichtsfächer. Die Klassen sind nicht so groß, es sind eher höchstens 20 Kinder. Man lernt/lehrt englisch, aber da ist das Niveau nicht so wirklich gut. Computerunterricht ist vorhanden. SchülerInnen mit Vergehen wie Zuspätkommen, SachennichtinOrdnunghaben oder Sonstigem kommen genauso wie die mit sehr guten Kriterien an die öffentliche Tafel. Die Schule hat auch Berühmtheiten hervorgebracht wie einen international gefragten Steinmetz und einen erfolgreichen Ringer. Als Unterschied zur Sowjetzeit wurde nur der veränderte Geschichtsunterricht genannt. Der Ex-Direktor sprach mit uns deutsch – und das gar nicht mal so schlecht. Allerdings dann doch zu wenig für weitergehende inhaltliche Diskussionen.

 

Eingang

 

Turngeräte

 

Schulinnen

 

berühmte-KirgisInnen-Wand

 

Computerraum

 

Englisch-Raum

 

Ex-Schulkind

 

Uniform-Schaubild

 

Kindmalerei

 

2. WK

 

Turnhalle

 

Von Taara Suu führt eine Jeeppiste 28 km wieder zum Issyk Kul – die kann man fahren oder ein Stück gehen. Wir gingen ca. 9 km. Dabei sahen wir eine lebendige und eine tote Schlange. Ansonsten war es nicht ganz so spannend, aber nett.

 

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Unser Ziel war Kara Taala. Kara heißt übrigens schwarz – und hier waren die schwarzen Steine gemeint, d.h. die Berghügel hinter Kara Taala sehen ziemlich dunkel aus. Ansonsten besticht Kara Taala durch eine voll große breite Fernstraße durch die Mitte, Wetlands zwischen Issyk Kul und Ort (-> kein Baden möglich) und eine Ex-Lehrerin mit einer Unterkunft. Hier hat man üblicherweise Räume ohne viele Möbel, aber mit Teppich und dann so Quilts oder Matten mit Bettzeugs, das kann man dann gut auslegen, wenn man Gäste hat. Das war hier so und in Tuura Suu. Außerdem hat man das Nicht-Wasser-Klo in der hintersten Gartenecke oder mit Glück bisschen dichter am Haus, auf jeden Fall draußen. Ungünstig für nächtliche nötige Klogänge.

 

Schlafgemach

 

Frau Ex-Lehrerin zeigte uns auch ihre Schule. Es gab einen älteren Teil, da war Lenin davor und drinnen abgeschlossen.

 

Lenin

 

alter Schulteil

 

Der neue Schulteil war etwas schwierig zu besichtigen. Es gab einen Herrn mit vielen Schlüsseln der immer hin und her lief und versuchte, die richtigen zu finden. Er war nicht so ganz erfolgreich, wir kamen kaum in Klassenzimmer rein. Hier wurde auch renoviert, aber gerade war alles zu. Mit Frau Ex-Lehrerin merkten wir deutlich die Grenzen der Kommunikation. Sie sprach englisch und gar nicht so schlecht. Aber auf viele Fragen antwortete sie mit ganzen anderem Inhalt – und wir wussten nie, ob die Frage doof war oder sie falsch verstand. Und später merkten wir auch so einige Widersprüchlichkeiten. Zuerst meinte sie, die SchülerInnen wären recht brav. Später schwärmte sie von den braven SchülerInnen während der Sowjetzeit und wie schwierig sie heute wären.

 

Sie hat jedenfalls Elektrotechnik und Mathematik studiert und wollte eigentlich einen tollen Elektrotechnikjob haben. Aber dann lernte sie ihren Mann auf der Uni Bischkek kennen und folgte ihm in sein Heimatort Kara Taala und da gab es keine Möglichkeiten. Also wurde sie Mathelehrerin. Jetzt ist sie pensioniert, vermisst aber die Arbeit. Sie hat das Glück, dass sie ab Herbst Schwangerschaftsvertretung machen kann.

 

Da die Schule nicht so ergiebig war, schaute sie, was sie uns noch zeigen könne und kam auf die Familie gegenüber der Schule. Da hatte gerade eine Hochzeit statt gefunden und wir durften die Braut kennenlernen. Sie ist 21 und aus Buchara/Usbekistan. Die beiden Eltern sind irgendwie um paar Ecken verwandt und haben die beiden zusammengebracht. Sie haben sich einmal getroffen und dann übers Internet kommuniziert und waren mit der Hochzeit einverstanden. Und so verließ die Braut dann ihre Heimat, heiratete, ihr Mann musste schon gleich wieder nach Moskau, wo er arbeitet und sie würde in einigen Tagen nachfolgen. Sie hat nach der Schule nichts gemacht und wird nun – wie wir verstanden – hauptsächlich Ehefrau sein. Sie wirkte so als ob sie tatsächlich das große Los gezogen habe. Frau Ex-Lehrerin war nicht ganz so begeistert – besser man lernt und arbeitet was.

 

Braut

 

Hinter diesem Vorhang befand sich eine Matratze mit usbekischen und kirgisischen Mustern:

 

Muster

 

Weibliche Familienmitglieder hockten im halboffenen Vorraum. Dort befand sich auch ein Herd, der mich staunen ließ.

 

Vorraum

 

Herd

 

Danach spazierten Ute und ich durch den Ort zu den Wetlands. Und stellten fest, dass so gut wie jede Behausung mit Mauern umgeben ist – eines sogar mit Überwachungskamera. Das macht doch ein ziemlich abweisendes Gefühl und wir trafen auch wenige Leute. Insgesamt finde ich die Menschen hier nett, aber es ist nicht so wirklich einfach, einen guten Kontakt zu bekommen. Und ich glaube, es sind nicht nur Mauern und Sprachbarrieren – aber so ganz klar ist es mir noch nicht, was fehlt.

 

Hier ein paar Spaziergangsbilder:

 

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Zwei Kontakte hatten wir aber doch: ein Herr saß im Garten und zerlegte ein geschlachtetes Schaf, winkte uns zu, bat uns herein und wollte gerne, dass ich ein Foto mache:

 

Schafmann

 

Ein anderer saß in seinem Auto und ich erschreckte mich voll, als ich vorbei ging. Ein Anlass zur Kontaktaufnahme! Er ist LKW-Fahrer und war mehrfach in Deutschland, aber auch anderen europäischen Ländern. Üblicherweise transportiert er Möbel.

 

In Tuura Suu hatten wir noch einen sehr netten Kontakt mit der Schwiegertochter des Ex-Direktors bzw. sie sprach kein englisch oder so, wirkte aber sehr sehr freundlich, aufgeschlossen und interessiert. Eine Frau zum freudigen anlächeln. Üblicherweise ziehen Schwiegertöchter immer zur Männerfamilie und sind da – wie bisher oft gesehen – für die Küche zuständig. So auch diese.

 

Aber wie das auf Reisen so ist: kaum beklagt man sich über etwas wie fehlender intensiverer Kontakt – schon ändert sich alles kurz darauf!