
Mein Kopf ist voll mit Infos und rauscht!
Ich reise für 5 Wochen in eine Gegend Indiens, in der ich noch nie war. Üblicherweise kann man die indischen Regionen immer ganz gut als Bundesstaaten voneinander abgrenzen und jeweils davon erzählen. Sie sind meistens recht runde Einheiten. Nicht so der Nordosten Indien – der hat 7 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Assam, Nagaland, Meghalaya, Mizoram, Tripura und Manipur), die aber seltenst allein bereist werden und sich zwar einerseits voneinander abgrenzen, aber im allgemeinen Bewusstsein eher als Einheit gesehen werden. Ich werde voraussichtlich 4 davon besuchen und für alle zu wenig Zeit haben. Aber a) lässt mich die Neugier vieles erschnuppern wollen und b) dienen die ersten 3 Wochen der Erkundung und Vorbereitung für eine Reiseleitung für die anschließenden 2 Wochen. Und diese Reise (von/für Diamir) führt schon mal in 3 Bundesstaaten (Assam, Arunachal Pradesh, Nagaland), und beim recherchieren hat es mich aber zu doll in Bundesstaat Nr. 4 gezogen: Meghalaya.
Aber vielleicht doch mal ganz von vorne. Ich erinner mich, dass ich 1995 auf dem Weg nach Darjeeling sehr lange in der Bahn in einem Abteil mit 5 Inderinnen saß, die nicht zueinander gehörten und sich Sachen erzählten – und zwar auf englisch, weil das ihre einzige gemeinsame Sprache war. Die eine Frau war aus – ich glaube – Meghalaya, aber vielleicht auch Nagaland. Sie hatte ihren Mann, der in der Armee ist, in Delhi besucht. Und dann haben sich die Frauen über Schlangen unterhalten und diese eine Frau erzähle, wie sie eine zeitlang eine Schlange hatten, die fast mit im Haus lebte und da immer mal wieder welche seien. Das sei nicht angenehm gewesen. Überhaupt würden in ihrer Gegend viele Schlangen sein. Ich hörte das erste Mal von diesen Staaten da ganz im Osten – und wollte da eher nicht hin. Wegen der Schlangen.
Als ich 2013 und 2015 wieder in Sikkim war, redeten wir öfters über Tourismus und wo dieser noch „sustainable and responsible“ sei und nicht überlaufen und aber vielleicht den großen Boom vor der Tür – nämlich diese 7 Nordoststaaten. Da gab/gibt es ein Hornbill Festival, wo alle in ihrer traditionellen Kleidung herumlaufen, tanzen, singen und feiern würden. Ich dachte damals, das Festival sei initiiert worden um TouristInnen anzuziehen und die Gegend mit toller Ursprünglichkeit und Folklore promoten zu können. Ich stellte es mir unschön vor – und wollte weiterhin nicht wirklich dahin.
Und dann war ich auch noch in dem einen Jahr in Ladakh bei den Moraviern, die einen Gottesdienst abhielten. Ich schrieb dieses in meinen damaligen Blog:
gestern war ich in der kirche von den moraviern und habe tatsächlich 2 std. ausgeharrt. danach muss ich gestehen: sie haben mich geschafft, kleingekriegt, ich habe verloren. eigentlich wollte ich mich ihnen mit einer größeren reportage widmen. nach dem gottesdienst wollte ich nur noch davonrennen und nix mehr mit christInnen zu tun haben. nicht, dass sie nicht nett waren. aber sie waren auch so leidenschaftlich. dreisprachig. proppenvoll. zweistundenlang. man saß auf tuchfühlung in dem kleinen raum. geschlechtergetrennt: links männlich, rechts weiblich. man stand auf und sang (ladakhi und englisch). man betete. man lauschte den worten des pastors. man lauschte den liedern der gastgruppe aus manipur/nagaland. man lauschte der geschichte von joycee. joycee hatte ein zeichen von gott bekommen. sie stammt aus einer christlichen familie und stellte sich ihr leben verheiratet mit kindern und job vor. sie fand einen mann. der hat aber nur das unglück gebracht. jetzt weiß sie: gott hat andere pläne mit ihr. sie soll ihr leben dazu nutzen, verlorene seelen zu retten. das hat sie der gemeinde erzählt und der pfarrer hat alles übersetzt. man lächelte ihr freundlich zu. die mitgebrachten babies quengelten manchmal und wurden energisch an die brust gelegt. ich verließ den raum, bevor man sich zum abendmahl rüstete.
Waaaahhh, da scheint es viele ChristInnen zu geben. Noch eine Abschreckung!
ChristInnen aus Manipur/Nagaland in Ladakh
Und dann war ich mal in einem 33-Stunden-Zug von Delhi nach Goa, wo mir mein Laptop geklaut wurde und um mich herum waren lauter JurastudentInnen aus Nagaland. Die waren auch christlich und aber sehr sehr nett. Und luden mich immer wieder ein, doch unbedingt mal zu ihnen zu reisen!
Irgendwann verdrängte ich meinen touristischen Folklore- und ChristInnen-Horror und wurde ein bisschen neugieriger. Bzw. eigentlich zog mich hauptsächlich Arunachal Pradesh an, da es da ja tolle Himalaya-Berge und das berühmte Tawang Kloster gibt. Aber es ist an der Grenze zu Tibet und unterliegt diversen Reisebeschränkungen – z.B. dass man nicht als Ausländerin allein da rumreisen darf. Und sowieso nicht überall hin. Als ich bei Diamir Produktmanagerin für Indien (u.a.) war, betreute ich alle Indienreisen – außer einer. Eine seit Jahren existierende Sondergruppenreise in den Nordosten Indiens blieb bei den Leuten, die sie schon jahrelang unter ihren Fittichen hatten. Es war eine der Reisen, wo es keine guten indischen deutschsprachigen ReiseleiterInnen für gab und wo immer jemand aus Deutschland eingesetzt wurde. Das war hauptsächlich ein Ethnologe, der nun aber keine Lust mehr hatte. Und als ich bei Diamir aufhörte im Büro zu arbeiten, fragte ich nach, ob ich nicht als Reiseleiterin weiterhin für sie tätig sein könnte (was, als ich damals auf deren Jobangebote guckte, eigentlich mein Plan gewesen war). Und z.B. diese Reise leiten könnte. Ich würde mich auch ganz viel vorher informieren.
Und damit habe ich dann auch angefangen. Und ziemlich schnell kam das im ersten Satz schon erwähnte Kopfrauschen. Es leben Unmengen von Volksstämmen in der Gegend. Und diese haben alle Unterabteilungen, d.h. es sind kleine Gruppen von nur wenigen Leuten, die ein bisschen anders sind als z.B. die im Dorf nebenan. Mir schwirrt der Kopf von Namen und Orten und Gebräuchen und Besonderheiten. Und alle diese Gebiete haben eine unterschiedliche Geschichte, das verwirrt dann noch mehr. Und zusätzlich bin ich eine, die immer eher hinterher hinter Infos her ist – dann sagen sie mir durch das Dagewesensein gleich viel mehr. Aber ich will ja eine Reise leiten und dazu ist vorab-Info angesagt.
Es gibt aber auch ein paar Gemeinsamkeiten:
Ich will mal jetzt nicht zu sehr mit meinem Vorab-Wissen rumdröhnen, sondern kann es ja dann jeweils mit meinen Erlebnissen verknüpfen. Ich muss/will ja sowieso mit den Leuten vor Ort reden und dann ist das Kopfwissen vielleicht auch gar kein Wissen sondern durchaus diskutierbar.
Danach wird es gleich noch weitergehen mit weiteren Blogs, die thematisch zusammen passen. Ich bleibe nämlich fast 3 Monate. Und finde das packen sehr schwierig – es braucht Daunenjacke und Badeanzug und alles dazwischen!
Packprobleme
Aber jetzt geht es übermorgen erstmal auf nach Delhi und dann los mit den Blogposts. Ich bin zappelig!