Banni Villages – Neue Freunde in der Ferne

16. Dezember 2024

 

 

Am nächsten Tag kam also mein neuer Fahrer Deep, ein älterer sehr angenehmer Herr, ursprünglich aus der Udaipur-Gegend, der aber von Ahmedabad aus arbeitet und sehr erfahren ist. Wir haben nun ein viel kleineres Auto – und irgendwie ist es mir so recht angenehm. Wir fuhren wieder in die Dörfer, die sich Banni-Villages nennen. Dabei haben wir geschaut, dass nichts doppelt vorkommt. Ich war ein wenig neugierig, wo und wie ich diesmal geführt wurde.

 

Zuerst ging es zu einem sympathischen Herrn mit Weberei. Da war nichts mehr mit Hinterhofklitsche sondern ein schöner offener Raum. Über 800 Fäden werden in so einem Webrahmen gespannt und dann webt man eifrig drauflos. Diese machen auch Stoff für z.B. Kurtas, die kurzen Tuniken. Insgesamt konnte ich an mir folgendes Einkaufsverhalten feststellen:

  • generell eher sehr wenig (hinterher denke ich manchmal: zu wenig)
  • wo ich die Leute nett finde, gucke ich, bis ich was Passendes finde
  • wenn die Leute sehr arm erscheinen, nehm ich auch manchmal was mit. Bisschen Mitleidskauf, aber ich bin so froh, wenn sie was machen statt elend herumzusitzen und zu betteln oder so
  • wer mir unsympathisch erscheint, bei denen laufe ich gleich weg ohne die Ware richtig anzuschauen

Dem hier hab ich was abgekauft, weil ich den so mochte….

 

Verkäufer

 

schöne Farben

 

Dann ging es weiter in ein Dorf, wo es diverses Gewerk gab. Das erstaunlichste ist Rogan – da kocht man sich eine Masse aus Rhizinus-Öl, mischt die mit Farbe, knetet das, hält einen Metallstab rein und von diesem lässte man dann einen Faden runterlaufen, der einen Strich auf Stoff macht. Kann man sich da was drunter vorstellen? Ansonsten und sowieso: diesen Film angucken auf youtube.

 

Ich finde es hier sehr schön, dass die Leute einem ihre Arbeit demonstrieren. Hier ist der Künstler:

 

Rogan Artist

 

Wenn man was aufgetragen hat, presst man das auf ein anderes Stoffteil und lässt beide in der Sonne trocknen. So hat man gleich 2 Teile. Oder man macht eben so synchrone Motive – wobei die Feinarbeit dann doch einzeln gemacht wird.

 

Doppelstück

 

fertige Teile

 

Die fertigen Stücke sind ziemlich teure Kunstwerke, die meine absolute Bewunderung haben. Die Familie, die das macht, ist moslemisch, d.h. es gibt eher keine Menschen und Tiere als Motive.

 

Danach gab es das Kontrastprogramm: das Armenviertel im Dorf. Da verzieren die Leute Holzlöffel usw. mit so einer Lackschicht. Auch das wurde mir demonstriert – und wir sind noch etwas herumgelaufen.

 

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Die dritte Demonstration in diesem Dorf waren die Glockenmacher. Der Herr hat vor meinen Augen diese Glocke gehämmert.

 

Handwerker

 

Glockenwaren

 

Während des Rundgangs hab ich noch ein paar mehr Bilder gemacht:

 

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Einige Herren waren dabei, 70plus kg Säcke mit Rizinusbohnen auf einen Laster zu laden. Ganz schön schwere Arbeit.

 

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Dann waren wir noch wieder woanders, wo ich einen kleinen Dorfeinblick bekam. Bzw. es war auch gerade nicht sehr viel los. Aber ich konnte das hübsche Haus mit Küche knipsen.

 

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Modernes Wasser heißmachen: Mit Tauchsieder im traditionellen Topf:

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Traditionelles Erhitzen mit Feuer und vorne im Bild die Alternative: Gaskocher:

 

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Mädchen werden übrigens traditionell sehr sehr früh verheiratet, d.h. mit 5 oder so. Jungs natürlich auch. Dann bleiben sie bei Mama und Papa und sticken ihre Kleidung zusammen. Es heißt, daran sieht man, was für ein Mädchen man geheiratet hat, also wie ausdauernd, geduldig, akurat usw. sie ist. Nach Aussage von Person A ziehen sie dann mit 30 zusammen, nach Aussage von Person B mit 16. Es gibt ein gesetzliches Mindestheiratesalter von irgendwas über 20. Aber bei den Tribals schaut man da meistens nicht so genau hin. Ob der Junge auch irgend so etwas machen muss, fand ich nicht raus. Dafür gibt es Tribals, wo die Jungsfamilie die Hochzeitsmitgift zahlt.

 

Mir war danach genug mit Orten für Touristen (ich habe übrigens weiterhin kaum mal ein westliches Gesicht gesehen, alles indische Touris) und so fuhren wir nach Khavda. Dort strolchte ich herum und gewann einige neue Freunde.

 

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Ich hatte von Diamir ein T-Shirt, welches am Hals zu eng ist. Hier war die Gelegenheit, es umzuändern, was dieser Herr nach Erläuterungen von meinem Fahrer ausführte. Der wurde auch schnell ein Freund. Und wollte gar kein Geld dafür.

 

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Er empfahl mir einen weiteren Freund: den Friseur um die Ecke. Der Schnitt die Haare sehr kurz, massierte liebevoll herum – und wollte weniger als 1 Euro. Ich hab ihm das Doppelte gegeben, was immer noch weniger ist als was man woanders zahlt.

 

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So gefällt mir das Reisen. Lauter neue Freunde finden an einem Ort, an den sich eher keine Reisenden verirren.

 

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6 (Lieblingsbild)

 

Und dann ging es wieder zurück nach Bhuj in eine besondere Unterkunft. Eine alteingesessene Familie öffnete ihren Stadtsitz und richtete 5 Zimmer her. Die waren sehr beliebt und sind viel ausgebucht. Aber für 1 Nacht hatte ich das Vergnügen. Das Besondere ist u.a., dass alle zusammen Abend essen. Also nur die Gäste, die Gastgeber leider nicht. Aber trotzdem. Wir waren am Tisch: Ein Ehepaar mit eigener Stoffproduktion aus Delhi (nach dem Motto „slow fashion“), 1 Ärztin aus London mit indischen Wurzeln und einer Politik studierenden Tochter sowie 2 Ehepaaren aus Surat in Rente, die sich schon seit der Grundschule kennen.

 

So war der Tag auch wieder ziemlich voll und ich ganz beglückt und schlapp.