Chayek -> Chon-Sary-Oy – Abschiede und Neues

05.04.2022

 

Heute war der Tag der Abschiede. Zuerst von der Familie. Ich bin gerade (auf dieser Reise) wieder fasziniert von diesen wirklich tiefer gehenden Begegnungen, wie man sich kurzzeitig nah kommen kann, wie man versucht, es doch nicht wirklich zu beenden, etwas davon noch haltbarer zu machen, die Bedeutung zu manifestieren mit Fotos und so – und dann doch auch wieder loslassen zu können und diese Erinnerungen als herzbereichernd in sich aufzubewahren. Wahrscheinlich sieht man sich nie wieder (auch wenn man beim Abschied die Hoffnung auf ein Wiedersehen ausspricht – wobei dieses natürlich nie wirklich ausgeschlossen ist, wer weiß das schon). Und dann geht man – mit einem traurigen Auge, weil es vorbei ist und mit einem lachenden Auge, weil es überhaupt statt gefunden hat.

 

In dieser Familie waren die Kinder besonders. Der 17jährige Jamat ist ein ruhiger freundlicher und durchaus charmanter junger Mann, der gerne malt und zeichnet und aus Papier kunstvolle Gebilde gestaltet. Ich könnte mich in den Hintern beißen, dass ich das nicht fotografiert habe. Seine Zeichnungen gefallen mir ausgesprochen gut – auch da leider kein Foto von.

 

Seine jüngere Schwester Fatima ist eine ungemein aufgeweckte, deren große Augen lebendig überall hin schauen. Ich hätte sie stundenlang beobachten können, so eine reiche Mimik und Wissbegier. Sie spricht das beste englisch und hat dafür schon Preise einheimsen können. Überhaupt Preise: man scheint hier für alles mögliche Urkunden und Zertifikate zu bekommen – und die sammelt man in Mappen oder hängt sie an die Wände. Auch sie bastelt und zeichnet gerne – und hat mir ein Lied auf der traditionellen Komuz vorgespielt.

 

Die Malerei haben sie wohl vom Vater. Der hat zwar auf Lehramt studiert (wo er seine Frau traf – weit weg, aber ihre Familien wohnten recht nah beieinander), aber das gibt wenig Geld und überhaupt und so hat er eine zeitlang gemalt und das verkauft. Auch hatte er Auftragsarbeiten für die Billder auf den Friedhöfen (zu denen später).

 

Der kleine Großmeister – ich weiß gar nicht, wie er heißt – ist ein sehr eigenwilliger Charakter, der ein wenig in seiner eigenen Welt lebt. Er kommt nicht zu den Mahlzeiten und isst, wann es im gefällt. Außerdem – wir wissen es ja schon – ist er ein ausgezeichneter Schachspieler mit seinen 7 Jahren. Kurz vor dem Schlafengehen stand er auf einmal in Unterwäsche neben mir und drückte mir eine kleine Filzjurte in die Hand. Von der Familie als Andenken.

 

Ich war der erste ausländische Gast bei ihnen und das hat sie sehr gefreut. Ich hoffe, ich habe einen guten Eindruck hinterlassen.

 

Es musste diesmal niemand superfrüh aufstehen, weil wir uns spätabends noch einen leckeren Kuchen gegönnt hatten, den die Frau schnell gebacken hat. Das sollte sie durch den Ramadan-Fastentag bringen. Dann also bye bye und Rakhat und ich sind zum Bushof. Da fahren entweder Kleinbusse oder Sammeltaxen los. Leider erst, wenn sie voll sind. Und auf dem Land dort dauert es so seine Zeit und wir konnten noch etwas herumspazieren.

 

Chayek

 

Flanierer

 

Auch hier erfreut man sich der Büsten

 

Und dann wartete Rakhat mit noch einer Überraschung auf. Wir gingen in einen einfachen Gemischtwarenladen – und die Frau parlierte mit mir perfekt (also sie, ich radebrechte eher) französisch. Sie hatte studiert – aber wir wissen nicht, wie es sie in diesen Laden verschlagen hat.

 

Französisch sprechende Frau

 

Bushof

 

Und dann war das Sammeltaxi voll und wir brausten wieder los. Die Autoinsassen wunderten sich gebührlich, dass ich in ihrem Land mit den schlechten Straßen reise, ich hätte es doch bequemer haben können. Außerdem finden sie gerade diese Gegend doch auch zu karg und trocken. Dass ich in Indien noch viel schlechtere Straßen und anstrengende lange Fahrten kenne, wollten sie kaum glauben. Ich erfreute mich wieder der Ausblicke links und rechts.

 

Schöner Ausblick.

 

Anderer schöner Ausblick

 

Manchmal wirbelten die Fahrzeuge gut Staub auf

 

Beim Pass lag immer noch viel Schnee

 

Und dann waren wir wieder in Kochkor und da nahte der nächste Abschied. Aber erstmal was essen.

 

Abschiedsessen

 

Man beachte: mein Karottensalat! Mir fehlt beim Essen doch eindeutig ein größerer Gemüsefaktor. – Hahaha, erst jetzt beim Hochladen merke ich das passende T-Shirt von Rakhat 🙂

 

Das Unterwegs-sein mit Rakhat hat sehr gut gepasst. wir haben zwar einen Altersunterschied von lockeren 32 Jahren, aber es fühlte sich doch eher kumpelig-freundschaftlich an. Wir haben uns massig Geschichten aus unseren Leben erzählt (ich mehr – hatte ja auch mehr Zeit, welche anzusammeln) und super viel gelacht (das war das Beste) und über das Leben philosophiert. Ich bin ihm wahrscheinlich auf den Keks gegangen mit meinen vielen Ladakh-Vergleichen – aber diese Kirgistan-Zeit kommt gefühlig da ganz nah ran. Ich fand es sehr harmonisch – und mit wem kann man schon gut so relativ eng diverse Tage zusammen so gut verbringen.

 

Natürlich war es für ihn ein Wagnis – nach einem längeren Frühstück und Flughafenabholung hat er mich ja kaum gekannt. Und wer redet nicht manchmal rum, wie unkompliziert man sei – um dann festzustellen, was einem alles doch furchtbare Mühe bereitet. Die hatte ich auch, aber eigentlich „nur“ was das Essen manchmal betrifft. Und leichte Unsicherheiten, ob ich mich auch ordentlich benehme. Natürlich war es auch für mich ein Wagnis. Aber bisher hat mich mein erstes Gefühl zu Menschen selten wirklich getäuscht. Dass es wirklich so prima klappte, habe ich dann aber doch nicht geahnt.

 

Hier hatte ich allerdings nicht ganz das Gefühl, dass es ein Abschied für immer würde. Er ist jetzt mit jemand anderen unterwegs und es ist unklar, ob er in Bishkek an meinem letzten Tag ist. Aber ich halte es für durchaus möglich, nochmal herzukommen – oder wir treffen uns sonstwo in der Welt.

 

Danke Rakhat für diese wundervolle Zeit mit dir!

 

Weiterfahrt

 

Und dann saß ich ohne ihn in einem weiteren Sammeltaxi und es fühlte sich erstmal seltsam an. Ich musste nochmal das Fahrzeug wechseln und dann kam ich in Chon-Sary-Oy an und wie es da war, das gibt es im nächsten Blogpost zu lesen.