Ich hatte nach dem Nonnenbesuch also Delek und sein Auto verlassen und lief den Abhang hinab, um einen Bekannten aufzusuchen. Ich mach das hier mal bisschen anonym, weil, es ist der Mann, dessen Frau sich vor einigen Monaten umgebracht hat. Ich möchte darüber schreiben, aber ich mag das nicht personifizieren. Ich ging zu seinem Haus – dort war alles sehr sauber, aber verschlossen. Ob er für länger oder nur kurz weg war? Ich machte mich wieder auf den Weg zurück und traf dabei eine Nachbarin, die ich ansprach. Sie sprach kein englisch, nahm mich aber mit zu ihrer Schwester, die sehr gut sprach. Sie wüssten auch nicht, wo er sei und hätten auch seine Telefonnummer nicht, aber die würden sie herausfinden. Ich soll mal solange mit ins Haus kommen und einen Salztee trinken. Ins Haus kam ich gerne, aber den Tee verschmähte ich. Aber hier, selbstgemachter Joghurt! Sehr lecker! Möchtest du auch ein Mittagessen? Nein, ich habe schon. Wir kochen die einen Schwarztee, den trinkst du aber? OK. Und dann noch lecker Kekse dazu. Willst du wirklich kein Mittagessen? Ein Kind und eine Frau mit weiterem Kind kamen ebenfalls an. Die Schwägerin des Bekannten.
Komm mit, ich mach dir ein Mittagessen! Dann wurde der Bekannte erreicht: er ist in Padum, wo er mit jemanden arbeitete. OK, ich mach mich nach dem Tee auf den Weg. Möchtest du nicht hier schlafen? – kam es wieder von der jungen Frau. Sie heißt Lobzang und war seit 2 Jahren auf Arbeitssuche. Einen Mann hätte sie auch nicht, ihre Schwester sei dagegen schon verheiratet (beide oben zu sehen). Ihr Vater ist noch nicht so lange her gestorben – das Gute an ihrer Arbeitslosigkeit ist, dass sie jetzt ihrer Mutter besser unter die Arme greifen kann. Die weidete gerade eine große Schafherde. Ein Opa kam auch noch daher und freute sich über ein fremdes Gesicht.
Dann war Zeit zum Aufbruch und sie begleitet mich zur Straße. Da kam schon ein Auto angebraust. Das hielt allerdings nicht. Dafür kam gleich darauf noch eines und ich konnte einsteigen. Der Fahrer fuhr mich sogar bis Padum, obwohl er eigentlich nicht ganz so weit wollte. Er sei Trekkingguide und erzählte furchtbar viel und lamentierte über die ganzen Veränderungen und wieviel schöner und auch ökologischer das frühere Leben gewesen sei. Bisschen komisch klingt das schon von jemandem, der gerade fröhlich mit seinem Auto über schön asphaltierte Straßen schwebte. Aber egal, er war ja sehr nett mich mitzunehmen.
Ich dachte, dass das man sowas doch wirklich eher nur in Zanskar (bzw. auch sonstwo, aber nicht bei mir daheim) erleben kann, dass fremde Leute einen in die gute Stube bitten, bewirten, Schlafgelegenheit anbieten usw.
Der Bekannte arbeitete tatsächlich und kam aber danach auf eine Plauderei vorbei. Er lebt jetzt allein in dem großen Haus, seine Kinder sind zur Ausbildung woanders. Von den 4 Kühen hat er 2 verkauft und die Felder sind zumindest diesen Sommer brach gelegen. Er hat einen Job und da ist ziemlich viel zu tun und er sehr froh darum. Auch abends arbeitet er dann noch gerne weiter. Er hat nun den ganzen Haushalt allein, aber das geht schon. Man gewöhnt sich daran. Es ist aber schon einsam, auch wenn er manchmal zu seinen Geschwisterfamilien geht usw. Wir haben über ihn geredet, aber auch sonst über Zanskar und die Jugend und die Entwicklungen. Er freut sich, dass die jungen Leute so schön gebildet sind und viele auch sehr gerne wieder herkommen, aber betrübt darüber, dass sie eigentlich nur Gouvernment Jobs haben wollen. Lieber arbeitslos und jammern als irgendwelche anderen Jobs angehen.
Dann bestätigte er auch noch, was ich schon vorher gehört hatte: die Schule, wo ich die Kamerakidz gemacht hatte, ist von Deutschland von einer Stiftung aus gesponsort – und dem hat Indien jetzt einen Riegel vorgeschoben. Es gibt das Foreign Contribution Regulation Act (FCRA) bzw. ein Zertifikat, welches regelt, welche Organisationen Geld aus dem Ausland erhalten dürfen. Dieses Zertifikat hatte die Schule, es wurde aber nicht verlängert – wie bei zahllosen anderen Organisationen auch. Prominentes Beispiel: Greenpeace. Das ist echt heftig – wie schnell will man eine Schule finanziell umbauen? Schafft man das überhaupt?
Mich hat die Begegnung sehr gerührt mit seiner Mischung aus Offenheit und Ablenkung, seiner Verletzlichkeit und seiner Tapferkeit. Ich weiß nicht, ob es für jemanden angenehmer ist mit jemanden Außenstehenden zu reden – oder eben gerade doch nicht, Ich mag ihn sehr und schätze ihn auch ungemein, aber sowas war nun doch eine andere Ebene.
Als nächstes trudelte Ashfaq ein. Er hat eine Reiseagentur und ist Partner von Diamir. Wir hatten uns schon in Dresden getroffen und mochten uns. Und freuten uns über den Zufall zur gleichen Zeit in Padum zu sein! Er war mit einer Fotogruppe unterwegs, hatte aber etwas Plauder- und Mittagessenszeit
Wir haben eine sehr ähnliche Ebene was Tourismus angeht und das ist einfach schön, sich mit so jemandem auszutauschen.
Mein Trekkingstart war um einen Tag nach hinten gelegt worden und so nutzte ich den Nachmittag und besuchte Sani. Da ist ein altes Kloster, wo man aber nicht rein kam. Niemand da mit einem Schlüssel.
Dafür hatte ich noch das späte Licht bei Padmasambhava am heiligen See in Sani. Dort befand sich auch eine Schafherde und eine Indergruppe:
Hin war ich z.T. gelaufen und dann getrampt und zuück ganz getrampt. Die Straße war wirklich beachtlich breit ausgebaut. Der Rückfahrer war ein mittelalter Mann aus Sani, der unglücklich war über die ganzen Veränderungen. Wenn Geld eine immer größere Rolle spielt wie jetzt, dann ist es mit den menschlichen Beziehungen nicht mehr so gut. Er findet die Straßenanschlüsse doof und das Leben davor viel besser. Dann erzählte er auch noch von der Schwester seiner Frau, die einen Tibeter geheiratet hat und nun nach Frankreich geht und – ich glaube schon seit 4 Jahren – nicht mehr in Zanskar war. Das ist ja überhaupt nicht gut!
Und hier sind noch ein paar Fundstücke aus Padum:
Diesem hübschen Touristenfoto konnte ich nicht nicht widerstehen:
Und auch nicht diesem Foto von meinem Hotelbett. Dass es hier mal sowas elegantes geben würde! Und dass ich – die ja eher etwas simpler reist – darin schlafen würde! Aber kurze Reisezeit und überhaupt ist mit Luxus doch angenehmer….
In Ladakh ist Eishockey ungemein populär geworden. Und so hat man Zanskar auch eine Chance geben wollen und diesen Eishockeyring gebaut.
Die Milchkooperative scheint mir auch recht neu zu sein – aber da müsste ich auch noch mal mehr erfahren.
Padum hat übrigens einen Helikopterlandeplatz. Da befindet sich dieses Wrack. Geplant ist aber ein richtiger Flughafen (mindestens für das Militär) – was es dann wohl für Veränderungen gibt! Der Rückfahrer von Sani meinte, dass es hier in spätestens 10 Jahren so aussehen würde wie in Leh. Gar nicht gut sei das!
Und hier sieht man ein paar Militärgebäude in der Ferne – und wie sich die Armee am Berghang verewigt hat.
Und zum Abschluss dieses Blogposts gibt es noch drei Bilder mit Hunden. die sind hier sehr zahlreich und bisher habe ich aber noch keinen agressiven gesehen.
Ich hoffe, es ist nicht alles zu durcheinander!