Das Sammeltaxi wollte mich um 4:00 morgens abholen. Irgendwie konnte ich nicht gut schlafen und hatte eine sehr kurze Nacht. Er kam auch tatsächlich fast pünktlich an. Ich hatte Vordersitz gebucht – immer eine gute Entscheidung. Aber Hintersitz wäre auch gar nicht so schlecht gewesen, den teilten sich nur ein Vater mit Tochter. Wir brausten los und nach kurzer Zeit warteten wir noch etwas auf 2 andere Sammeltaxen und dann führen wir gemeinsam los. Station für einen ersten Tee in Khaltse. Auf dem Weg zum Klo konnte ich nicht widerstehen, diese Schlafstätte zu frotografieren:
Die Straße ist wirklich super und man fährt ganz normal ruckel- und staubfrei zum Abzweig in Wanla.
Aber auch danach wurde es gar nicht unbedingt schlechter, es war viel asphaltiert. Ein Teilstück, d.h. ca. 7 km, sind Teil eines Treks, den ich ganz gut finde und ich war schon besorgt, dass man hier alles Asphalt gehen müsste, sah aber, dass auf der anderen Flussseite eine Schotterstrecke entlang führt. Gut so.
2019 wurde der Streckenabschnitt bis Lingshed fertig gestellt. Vor dem Straßenbau war das eine reine Trekkingstrecke, die ich 1996 und 2007 ging. Ich war sehr neugierig, an was ich mich erinnerte und wie es nun sein würde auf der Straße zu fahren. Direkt nach Fanjilla startete die Hanupatta-Schlucht. Die war so eng und der Pfad so schmal, dass man befürchtete, dass beladene Tiere ins Wasser fallen würden (was wohl auch passiert war). 1996 wurde alles Gepäck per Hand über den heikelsten Teil rübergebracht und die Tiere gingen leer. 2007 weiß ich nicht mehr. Und hier ging nun eine Straße durch! Da haben sie aber tüchtig Gestein wegsprengen müssen! Eng war es immer noch:
Dann weitete es sich etwas. Ganz schön schick asphaltiert. Aber diese überhängenden Felsen – irgendwie ist mir damit doch immer mulmig.
Und dann ging es um die Ecke und ein Tal hinauf zum Sirsir-la, 4.800 m. Das bisschen doofe im Shared Taxi ist, dass es natürlich keine Fotostopps macht und auch nicht auf den Pässen zum Freuen hält. Von daher: leider keine Pass-Fotos. Aber von der Hochfahrt:
Man sieht: es war überwiegend bewölkt. Das war ein bisschen doof für tolle Neidbilder oder so, aber gar nicht so schlecht zum Fahren. Nach dem Pass geht es hinab nach Photoksar, einem sehr schön gelegenen Dorf. Bzw. die Straße führt etwas daran vorbei und hatte dort ein Tee- und Essenszelt. Allerdings war es geschlossen und die Gesichter der Mitfahrenden lang: kein Frühstück. Mein Bauchgefühl hatte noch am Vortag ein Gebäckstück gekauft und so war ich ganz froh, schon einen vollen bauch zu haben. Einer hatte aber Chapatis und Pickles bei, die geteilt wurden.
Hier war ein bisschen Sonne und ich fand einige Fotomotive:
Bei der Weiterfahrt hat man einen schönen Blick auf Photoksar, aber ein Foto war nicht so leicht.
Letztes Jahr war ich beim Great Himalayan National Park, wohin ein umtriebiger Belgier mit seiner indischen Frau gezogen war und seine Hände in diverse Projekte steckte. Ich mochte ihn nicht besonders. Sein neuestes Projekt würde die Erschaffung eines „nachhaltigen Tourismus“ in Photoksar sein, damit sie nicht nur die Straße mit den Reisenden angucken würden sondern auch Geld mit den Reisenden verdienen konnten. Eigentlich wollte ich hier auch eine Nacht verbringen und mal gucken, aber man warnte mich, dass es mit der Weiterfahrt schwierig sein würde, da eher nur volle Autos fahren (und kein Bus). Lustigerweise trafen wir kurz darauf eine Anhalterin und sie freute sich, mitgenommen zu werden. Eine Einheimische aus Zangla/Zanskar.
Hier wurde mir dann langsam komisch zumute. Ich habe das Tal früher geliebt und in einer seltsamen Anwandlung sogar gedacht, dass ich es für einen schönen Ort für die ewige Ruhe finden würde. Zum Glück habe ich die erstens sowieso noch nicht gefunden und zweitens nicht hier – durch die Straße war für mich der Ort „kaputt“. Früher war es einfach nur überwältigende Natur mit eben so einem besonderen Naturgefühl. Davon war nichts mehr übrig, zuviel „Zivilisation“ und Geschäftigkeit.
Ich hatte mich letztens bzgl. Nepal ein wenig amüsiert, dass jemand die Strecke links vom Annapurna bis Kagbeni nicht mehr besuchen wollte wegen der Straße (er kannte es nur von früher als reine Trekkingstrecke), das würde ihm das Herz brechen. Ich fand es fast ein wenig albern – und jetzt ging es mir genauso! Also nicht, dass ich mich weigern würde hier nochmal durch zu fahren, aber das schöne Gefühl von früher ist einfach futsch und die, die es nicht kennen, finden die Tour wahrscheinlich landschaftlich ganz schön schön.
Es war jedenfalls eine interessante Erfahrung. Und wie es wohl Radelnden auf dieser Tour geht? Ich sah welche und dachte, dass ich es mit dem Straßenstaub der Fahrzeuge nicht schön finden würde. Abgesehen davon ist es mir ja auch schleierhaft, wieso man gerne diese ganzen Höhenmeter nach oben in die Pedale tritt – aber andere verstehen wahrscheinlich auch mein Hochwandern nicht.
Es ging höher und höher über den 5.000er Pass Singge-la und dann konnte man auf der anderen Seite runtergucken. Komischerweise war weiter eben eher asphaltiert als weiter unten.
Hier sieht man ganz unten die Straße, die direkt am Zanskar Fluss entlang führt und die mit viel Tamtam im April geöffnet wurde. Und dann gleich wieder schloss, weil man noch so viel dran arbeiten muss. Das ist aber die wichtigste Straße, die schon gefühlt seit 20 Jahren in der Herstellung ist. Sie führt über keinen Pass und d.h., dass Zanskar damit das ganze Jahr über zugänglich sein würde. Lebensrettend im Winter.
Wir fuhren also ca. 1.500 Höhenmeter wieder runter und dort gab es endlich ein offenes Lokal und ein Klo.
Hier stießen die beiden Straßen zusammen und führten nun gemeinsam das letzte Stück nach Padum. Die Trekkingstrecke damals ging ein bisschen anders: über das Dorf Lingshed, an welchem wir nicht direkt vorbei kamen und über einen Pass und dann hoch oben über einer schmalen Schlucht entlang. Ich konnte mich nicht mehr so 100% orientieren und bin mir unsicher, ob die Straße nun in genau diese Schlucht reingehauen wurde oder ob es noch eine andere gibt.
Die Strecke von Lingshed nach Karsha kann man immer noch ganz gut zu Fuß gehen, eine nicht so lange Trekkingtour mit zwei Pässen unter 5.000 m.
Dann öffnet sich die Landschaft zum großen Zanskartal hin und schwuppdiwupp ist man in Padum.
Zweimal wurde mein Pass notiert – lustig fand ich es hier beim 2. Mal, wo der Fahrer meine Daten an die Dame oben im Fenster diktierte:
In Padum wurde ich mit Regen, viel Gewusel und von Rigchok empfangen. Ganz schön schön, wenn da gleich jemand ist. Auch wenn er groß und erwachsen geworden ist und einen Bart trägt, konnte ich aber doch noch die Kindergesichtszüge erkennen. Wen ich noch traf und wie meine Eindrücke sind, das ist dann im nächsten Blogpost dran.
Für die 200 km hatten wir 9,5 Stunden inkl. der Pausen gebraucht. Die Strecke ist schon ziemlich schön und spektakulär. Da Zanskar nun 3,5 Straßenzu/abgänge hat (wobei die nach Kargil ausgebaut wurde und nun als die beste Straße im ganzen Himalaya gilt – und die über den Shingo-la demnächst auch noch untertunnelt werden soll) und noch eher so Neuland auf der Tourismusmappe ist, habe ich gedacht, es würde hier schon von insbesondere abenteuerlustigen Motorradfahrenden nur so wimmeln. Es gab sie auch – aber weniger als ich vermutet hatte.
Warum dieses ganze Straßengebaue? Und wie ist das mit der Zukunft des Tourismus? Zum ersten hatte ich abends noch ein Gespräch mit einem, der die Meinung vertrat, dass die indische Regierung nur Straßen ausbaut, wenn sie für das Militär sind. Hier sind ja Grenzen nach Pakistan und China und es gibt auch die Straßen dichter an den Grenzen, aber man braucht etwas für den Rückzug, wozu sich Zanskar sehr gut eignen würde von der Lage her, und für den Nachschub. Dass man zuerst eine Straße über den Shingo-la baut, den man dann untertunneln will, macht insofern Sinn, als dass man ja auch das ganze Tunnelbaumaterial hinbringen muss – und dafür war es erstmal leichter, die Straßen oben rüber zu bauen. Jedenfalls hat man dann über die Strecke Manali – Altai Tunnel (siehe Himachal Pradesh 2023 Blog) – Shingo la Tunnel – passfreie Straße am Zanskar-Fluss einen jahresdurchgängigen Straßenzugang zu den Grenzen im Norden. Warum nicht den Zugang über Srinagar nutzen? Da liegt nur ein im Winter vollgeschneiter Pass zwischen. Aber Srinagar/Kaschmir ist ja auch ein wenig heikel – und man hat damit andere Pläne: Zuganbindung. Aber da muss man auch erstmal nach Srinagar hin eine Strecke bauen.
Nachdem jahrzehntelang nur Pläne existierten und wenig passierte, geht es jetzt doch ganz schön flott mit dem Straßenbau (die Himalaya-beste-Strecke hat übrigens eine private Firma im Regierungsauftrag in kürzester Zeit gebaut – da sieht man mal, wie es auch gehen kann). Interessant ist es allemal und inzwischen muss ich gestehen, dass ich auch dankbar bin für weniger Staub und Rüttelei auf indischen Bergstraßen. Und natürlich gönne ich jedem Dorf Straßenanschluss. Aber was das nun alles genau für alle Beteiligten bedeutet: ich bemühe mich, es zu beobachten und zu verstehen.
Ein näherer Blick auf Padum im nächsten Blogpost startet dann damit.