Für meinen Trek hatte ich einen Bekannten gebeten, mir einen Pferdemann zu arrangieren. Ich bin Stanzin über die Zanskarjahre immer mal wieder begegnet und wir hatten dabei nette Gespräche. Da es so viele Stanzins gibt, muss man sie ja auseinander halten und diesen nennen wir alle Stanzin from Tahan – weil das ist der Ort, wo er wohnt.
Für die Nacht vor dem Trek hat er mich gedrängt, doch unbedingt bei ihm zu schlafen. Das habe ich dann getan. Allerdings hat er sich die ganze Zeit entschuldigt, dass es bei ihm nicht so schön ist und das Klo nicht nebenan und keine Dusche usw. Aber mensch, das kenn ich doch! Er wohnt mit seiner Frau zusammen und momentan ist auch ein ferienhabendes Kind da bzw. es ist ein junger Mann, den ich nicht fotografierte. Die Kinder meiner ganzen zanskarischen Bekanntschaften sind so tüchtig am Wachsen!
Stanzin hatte mich vormittags abgeholt – aber gar keine Zeit für mich und so verfrachtete er mich zu seiner Schwester in den nebenan liegenden Ort Tungri. Die Schwester (ich weiß gar nicht, wie sie heißt), ist 49 Jahre alt und Nonne.
Auch dieses Nonnenkloster war gut belebt mit Nonnen verschiedenen Alters und einem Lehrer. Der war aus Mulbekh/Ladakh und hatte seine Ausbildung im Süden Indiens genossen. Jetzt fühlte er sich berufen, seine Kenntnisse weiterzugeben. Während eigentlich alle, die ich kenne und mit denen ich sprach, eher keine AnhängerInnen von Präsident Modi sind, entpuppte sich dieser Mönch als großer Fan. Modi tut was für die armen Leute! Seine Arbeit ist großartig, er ist so gut für das Land! Ansonsten fand er aber eigentlich den Fortschritt blöd. Ich wies ihn auf Neuerungen wie die Thermoskannen, den Wasserhahn im Zimmer, den Reis zum Mittag usw. hin. Ja stimmt, manches sei schon fein, was man jetzt hat.
Ich bekam lecker Mittagessen und habe kaum fotografiert. Diese Nonnen saß mir gegenüber und versuchte mir freudig, zahllose Tassen Salztee aufzudrängen. und Milchtee. Und Aprikosen. Und Kekse. Und und und….
Dann hat mir die Nonnenschwester den Gebetsraum gezeigt und was vorgelesen und wir haben angefangen, uns richtig gerne zu mögen. Trotz wenigen englisch ihrerseits, aber sowas braucht man ja nicht unbedingt zum einander mögen.
Man sieht es auf diesen Bildern nicht und auch mir fiel es erst recht spät auf: ein Finger an ihrer einen Hand ist stark verkrüppelt. Stanzin (er ist 5 Jahre jünger) meint sich zu erinnern dass das auch ein Grund für ihren Klostereintritt war. Sie befürchtete, die übliche Arbeit nicht so gut bewältigen zu können.
Ich ging dann zu einem Spaziergang in das Tal dahinter:
Dabei entdeckte ich eine alte Felsmalerei. Es ist mir immer eine große Freude, sowas zu erspähen – ohne dass ich weiß, warum das eigentlich so ist. Aber egal: Freude ist Freude. und hier das Photo:
In dem Tal gab es auch schon schöne Felsformation:
Und einen hübsch gelegenen Lhato:
Bei der Rückkehr wartete schon die Schwesternonne auf mich. Ich müsste ja noch unbedingt einen Tee bei ihr trinken. Ihre kleine Zelle war simpel, wirkte aber gemütlich. Dann ging ich zu Fuß runter nach Tahan.
Dabei entdeckte ich das neue öffentliche Badehaus. Leider ohne zu wissen, ob es auch genutzt wird.
In Tahan verbrachte ich einen vergnüglichen Abend mit Stanzin und seiner Frau. Ich habe selten jemanden gesehen, dessen Gesicht so viele Bewegungen und Faxen macht, wenn sie zuhört und spricht. Das hätte ich mal lieber filmen sollen, hab ich aber nicht. Sie haben mir gemeinsam ein sehr leckeres Abendessen (Skiu) gekocht mit Sachen aus dem eigenen Garten.
Es gab dort auch ein kleines turbulentes Kätzchen, welches auch seine Faxen machte. Es sprang wie toll umher und war niedlich anzuschauen. In der Nacht war ich bisschen wach und hatte Licht an und sah eine eklige Spinne auf meinem bett. Da kenn ich ja nix mehr von buddhistischem Mitgefühl für alle Lebewesen – und pätsch, war sie tot. Allerdings: wohin mit der Leiche? Na, darüber würde ich am Morgen nachdenken. Brauchte ich aber gar nicht, das liebe Kätzchen kam und hat die Leiche aufgefuttert! Dann hat es noch lange auf meinem Schoß gekuschelt.
Dann kam die Frau in meinen Schlafraum und fing an, massen von Chapatis zu produzieren. Dabei fing sie an zu jammern bzw. auch ihren Neid auf mich kundzutun. Ich hätte so ein schönes leichtes Leben, könnte herumreisen usw. Und sie? Nur immer schuften von früh bis spät. Und jetzt täten auch noch die Knie weh und überhaupt. Das ist dann immer (d.h. dieser Neid kommt mir natürlich nicht das erste Mal entgegen) der Punkt, wo ich nicht weiß, was sagen/tun/reagieren.
Ja, ich bin auch froh, dass ich mein Leben so führen kann mit finanziellen Mitteln, einem tollen Pass, bequemen Heimatsland, zufriedenstellender Gesundheit usw. Und hätte natürlich lieber, dass es allen Menschen so geht. Aber das ist nun jetzt gerade nicht so. Es gäbe ein „bei uns ist auch nicht alles eitel Sonnenschein“ – aber in Anbetracht, wie ihr Leben jetzt ausschaut und wie meines, ist sie nun einfach neidisch und eine Relativierung meines Lebens käme mir da hohl vor. Sollte ich was von Karma schwafeln, weil das in ihrem buddhistischen Weltbild existiert? Kommt mir auch blöd vor.
Und so zucke ich mit den Achseln, gebe zu, dass ich es gut habe – und fühle mich doch hilflos und doof. Wie gehen eigentlich andere damit um?
Und dann war es Zeit, zum Trek aufzubrechen. Bzw. es war doch schon eine Stunde später als angedacht. Aber so ist das ja meistens. Ich war etwas aufgeregt. Aber endlich endlich sollte es nun losgehen!