Fitzelchen – in Padum

20. + 21. September 2024

 

 

Ich trage Fitzelchen zusammen in der Hoffnung, ein stimmiges Bild von Zanskar in seinen ganzen Entwicklungen zu erhalten. Dabei bin ich mir doch noch oft unsicher und manchmal auch verwirrt, welche Infos wie einzuordnen sind. Dazu passt exzellent das obige Bild – wenn man diese Behandlung macht, hat man dann eine Garantie für Sex und chronische Krankheiten oder wird man davor bewahrt?

 

Mir ist Zanskar spätestens seit 1996 ein Begriff, wo ich das erste Mal da war. Und seitdem ich das Kamerakidz-Projekt dort machte habe ich mich intensiver damit beschäftigt. Von daher vermute ich, dass viele Lesende auch etwas damit anfangen können. Aber vielleicht lesen hier auch welche, denen das alles nichts sagt? Ich behelfe mich bei so etwas aus Faulheit oftmals mit Wikipedia-Einträgen – aber der deutsche über Zanskar ist unglaublich schlecht. Und ich bin amüsiert, dass ich darin vorkomme. Hier ist der link. Von daher hier eine Minizusammenfassung:

 

Zanskar ist eine politische Einheit(Tehsil) im Süden des Distrikts Kargil, der zusammen mit dem Distrikt Ladakh die Union Territory Ladakh (ähnlich einem Bundesstaat, aber mit speziellen Rechten usw.) bildet. Der langjährige einzige Zugang startete im muslimischen Kargil, wodurch das überwiegend buddhistische Zanskar dazu geordnet wurde. Wohl fühlten sie sich damit noch nie. Ein bisschen abgehängt durch 6-7-monatige Sperre der Straße durch massiven Schneefall waren die Zanskaris abgeschnitten vom Rest der Welt – konnten sich dadurch aber auch viel ihrer Kultur bewahren. Hier wohnen ca. 20.000 Menschen auf 3.500 m und drüber.

 

Office

 

Sie hätten gerne einen eigenen Distrikt, aber bisher sind sie damit nicht erfolgreich. Gemeinsam mit Ladakh ist Zanskar seit 1974 für Reisende offen, aber es haben nie viele bis hierher geschafft – zu abgelegen, beschwerlich und unbequem. Die, die kamen, involvierten sich z.T. recht vielfältig in Privatschulen oder fotografierten oder…. Jedenfalls sind mir einige bekannt, die immer wieder herkommen. Zwar hat sich in den letzten Jahrzehnten schon das Leben ziemlich geändert durch Einfuhr von Waren, Geldverdienjobs, Bildung, Maschinen, die die händische Feld- und Erntearbeit ersetzen. Aber mir scheint, in den letzten ca. 5 Jahren geht es richtig rasant und vielleicht sogar zu schnell von statten mit den Änderungen.

 

Als ich 2011 das Kamerakidz-Projekt startete, hatte niemand Handys und es gab nur ein Cyber-Cafe mit schlechten Verbindungen. Auch 2017 sah es noch nicht viel anders aus. Heute ist Zanskar sehr gut vernetzt und alle können fast überall immer ins Internet. Dadurch ist man ganz anders mit der Welt verbunden – insbesondere die Jugend. Liebesgeschichten bahnen sich tatsächlich auch schon über die sozialen Medien an.

 

Always Happy

 

Die Situation der staatlichen Schulen war sehr schlecht, unengagierter Lehrkräftemangel. Privatschulen haben das etwas aufgefangen – oder man hat seine Kinder hinaus geschickt auf Internatsschulen, wodurch sie ziemlich abgeschnitten waren vom zanskarischen Leben. Die Ferien reichten selten für einen Besuch. An den Kamerakidz sehe ich, wieviele sich dann nach ihrer 10-12jährigen Schule doch auf den Weg nach Weiterbildung fort von Zanskar gemacht haben – und jetzt dort bleiben oder gut gebildet wieder kommen. Einen, der kein Ex-Kamerakidz ist, traf ich indem ich neugierig in ein Gebäude rein ging. Tashi saß in seinem Büro und war bereit mit mir zu plaudern.

 

Er ist aus Rantakcha und hat diverse Schulen in Zanskar besucht und ist dann in Klasse 7 in eine TCV-Schule nach Dharamshala gekommen. Dann hat er Civil Engineering studiert und hier in Padum einen Job bekommen. Seine Frau, die Frauenärztin ist, hat er in der Schule kennengelernt und nach 8 Jahren „Dating“ haben sie dann geheiratet. Er konstruiert Bauwerke am Computer und schaut dann zu, dass sie auch gebaut werden.

 

Tashi

 

Er ist ein großer Fan vom ladakhischen Aktivisten Sonam Wangchuk, bemüht sich um eine buddhistische Lebens- und Sichtweise und ist sehr besorgt um die Zukunft der Welt durch Klimaveränderungen und autokratische Regierungen. Es war mir eine Freude mit jemanden zu plaudern, der so viel Weltinteresse und -wissen hat.

 

Er erzählte mir auch noch ein wenig mehr über die Veränderungen in Zanskar. Man kommt ja immer wieder auf diese Straßen. Obwohl man schon lange davon wusste und sich danach sehnte, kam es offensichtlich doch überraschend und traf die Leute unvorbereitet. D.h. es scheint kein Gremium oder so zu geben, dass sich Gedanken macht, wie man sich in Zanskar neu organisieren möchte. Gab es zwar vor zehn Jahren auch schon Unterschiede von z.B. arm und reich (zusätzlich zum Kastenwesen), waren die Unterschiede aber nicht so enorm wie heute. Manche machen mit ihren Jobs (und Korruption) richtig gut Geld. Andere nicht. Ich hörte auch aus anderen Mündern Fitzelchen davon, dass die Gemeinschaft auseinanderbräche, da immer mehr Egoismus zutage trete und auch sehr viel Neid und Missgunst herrschen würde. Aber das ist wirklich nur ein Fitzelchen, wo man genauer hingucken müsste.

 

Jedenfalls haben Leute offensichtlich Geld (oder die Regierung gibt welches) und dieses wird in Bautätigkeit investiert. Ich staunte über die vielen Baustellen und fotografierte tüchtig:

 

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Die Arbeiter sind übrigens keine Zanskaris sondern Nepalis, Biharis usw. Sie verdienen hier mehr Geld als daheim und hausen in Wellblechhütten u.ä.

 

Hütten

 

Diese Straße nach Kargil, die wurde von einer Privatfirma gebaut, die auch für 5 Jahre den Auftrag hat, den Pass vom Schnee zu räumen. Und so war Zanskar tatsächlich im Winter nur 2 Wochen unzugänglich. Trotz dass man da so flott fahren kann, setzt man mehr auf die Straße nach Nimmu und somit direkt nach Leh – die Möglichkeiten seien dort besser und man fühlt sich einfach dorthin verbundener.

 

Was ich an Zanskar immer faszinierend fand war, dass kein Haushalt fließendes Wasser hat. Man schleppt vom Bach oder einer Handpumpe. Und Ganzkörperwaschung findet auch nur sehr selten statt. Das soll sich nun ein bisschen ändern bzw. hat sich schon mit der indischen Initiative Jal Jeevan.

 

Jal Jeevan

 

Jal = Wasser, Jeevan = Leben(squalität). Für fließendes Wasser gibt es nicht immer passenden Räume usw. im Haus, aber es hilft schon enorm, wenn die Wasserquelle im Hof ist. Und genau das wurde gemacht: alle Häuser haben nun mindestens dieses. Allerdings ist – wie auch schon Tashi sagte – Wasser ein Problem. Die Gletscher schmelzen, der winterliche Niederschlag ist nicht mehr so viel wie benötigt, das Grundwasser geht zurück. Genau wie ich auch schon in der Wüste Rajasthans lernte, haben auch die Menschen durch die modernen Anforderungen an Sauberkeit/Hygiene einen viel höheren Wasserverbrauch. Und so hängt man nun in dem Dilemma. In anderen Gegenden wie Ladakh sind die touristischen Einrichtungen mit Wasserklo und Duschen ein enormer Wasserverbrauchsfaktor, hier (noch) nicht. Auch denkt z.B. Tashi, dass die zanskarische Trockentoilette nicht durch ein Wasserklo ersetzt wird, weil man die Produkte ja als Dünger für’s Feld braucht. Allerdings: wie ist das überhaupt noch mit der Zukunft der Feldwirtschaft? Wer macht sich dann noch die Mühe und wie sind die Möglichkeiten?

 

angeliefertes Gemüse

 

Bisher sehe ich nur die schicken Trecker auf der Straße, aber da lerne ich sicherlich mehr, wie das alles eingesetzt wird. Für die Feldernte bin ich schon zu spät, mit der Weiterverarbeitung muss ich schauen, ob ich noch was entdecke.

 

Trecker

 

Nächstes Thema ist der Strom. Auch wenn Zanskar eigentlich gut geeignet wäre für Solarpanel, gibt es nicht so viele. Vielleicht auch wegen Wind? Hier sind ein paar:

 

Solar

 

Man setzt eher auf Wasserkraftwerke. Es gibt neue in Sani und Reru – und ich habe bisher auch kaum Stromausfälle erlebt. Dafür sehe ich nachts überall viel Licht.

 

Und trotz dieser ganzen Neuerungen gibt es auch noch das Alte – wie diese Leute, die ich sah, die die Fäden zum Weben zogen:

 

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Ich glaube, ich ufere gerade aus. Ich wollte eigentlich meine ganzen beiden Tage in einen Blogpost packen, aber das ist zuviel. Ich lagere einiges mal in den nächsten über. Weil – außer mit Tashi rumsitzen und Baustellen fotografieren hab ich ja noch ein wenig mehr gemacht….. Es gibt einfach wirklich viel zu gucken und zu notieren.