Ich habe Stress. Ich hatte schon vorher Stress. Wie soll ich eine Ladakh-Zanskar-Reise in knappe 3 Wochen packen? Und wie soll ich die Treffen mit den Leuten in die knappen 4 Tage Leh packen? Einfach mal anpacken…
Tundup, der mein Agentur-Kollege und Freund ist und den ich seit 2003 kenne, hatte leider nur am Ankunftstag 1-2 Stündchen Zeit, weil er am nächsten Tag einen Fam-Trip mit 60 Leuten begleiten würde. Also haben wir uns zum Mittag in meinem Hotel getroffen – und ich habe nur ein doofes, aber bisschen typisches Foto gemacht.
In der Saison ist es oft ein bisschen schwierig, weil Handys klingeln oder wichtige Nachrichten aufpiepen. Aber so ist es eben – und die ganzen vielen anderen Minuten haben wir uns schön unterhalten und die Zeit für zu kurz empfunden und auf eine bessere Gelegenheit wannanders gehofft. Tundup überrascht einen immer wieder mit so manchen Plänen und was er so umsetzt. Im Büro hat er es geschafft, dass die Leute endlich so richtig Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Das hatte ich mir immer gewünscht und mich aber auch gewundert, warum so wenig Eigeninitiative bei seinen Angestellten war. Vielleicht weil es bequem war unter Tundup zu arbeiten, weil er einem sehr viel abnimmt und alles auf seine eigenen Schultern verteilt. Aber jetzt scheint ein bisschen anderer Wind zu wehen. Ich habe es schon festgestellt bei der Person, mit der ich am engsten zusammen arbeite. Sie ist so richtig gut und es ist eine große Freude. Mir ist es jedenfalls wie immer eine Freude, Tundup zu treffen und wir könnten eigentlich stundenlang über das Leben reden. Nächstes Mal.
Als nächstes traf ich Arite. Sie war Teilnehmerin einer Frauenreise 2015 – und kam im nächsten Jahr wieder, wo sie dann eine „spezielle Nana-Reise“ mit mir unternahm. Wir trekkten nur mit Horseman im Changthang (was sehr unüblich ist) und ich glaube spätestens dann war sie auch Ladakh verfallen und kam öfters wieder hergereist. Getroffen haben wir uns dabei nie – außer dieses Mal.
Sie hatte die letzten Tage ihrer Reise – und ich ja meine ersten. Da sie in Dresden wohnt, sehen wir uns sowieso öfters – aber Leuten einfach so auf Reisen zu begegnen ohne miteinander zu reisen finde ich immer schön und ein bisschen besonders.
Wir gingen gemeinsam meinen Wunsch an, eine SIM-Karte zu erstehen – und waren erfolglos. Bzw. ich zu ungeduldig. Es war Sonntag und im Laden offensichtlich die schlaftablettige Ersatzbesetzung. 3 Herren, wovon der eine hinter dem Tresen mit Kapuze nur auf auf sein Handy starrte und die anderen beiden sehr sehr langsam SIM-Karten ausstellten.
Es waren noch 2 Leute vor mir und ich wurde zu ungeduldig und ich dachte, ich geh lieber am Montag, wo die üblichen flotten Frauen wohl wieder Dienst haben würden. Und dem war auch so.
Innerhalb kürzester Zeit hatte ich meine SIM-Karte und kann nun frohgemut überall meine Nachrichten empfangen und kommunizieren. Ist schon angenehmer. Ich nutzte ein wenig die Zeit und schlenderte herum. Indientypisch ist, dass man so oft so Gegensätze gleichzeitig nebeneinander hat. Für Ladakh galt das nicht so ganz, es erschien mir immer recht einheitlich. Aber die Zeit schreitet mit Veränderungen voran und ich staunte über neue gleichzeitige Gegensätze. Es gibt immer noch so alteingesessene Läden, Lokale, Gästehäuser die so ein bisschen schedderig sind, Und es gibt immer mehr schicker aufgemachte elegante Häuser, Läden usw. Riesige feine Hotelkomplexe sind inzwischen so zahlreich, dass alle nicht ganz so viele Zimmer belegt haben (auch in meinem sind nicht viele Gäste). Coffeeshops bieten besten Kaffee und feine Kuchen und Kekse an. Man könnte auch in Berlin sitzen. Vollgestopfte krumpelige Läden haben alles – und wenn es sich in der letzten Ecke versteckt wird es doch gefunden. Schlodderige Backpacker hängen miteinander rum und Reisende in perfekter teurer Outdoorkleidung stromern durch die Fußgängerzone. Dazwischen riesige indische Reisegruppen die gut organisiert die Sehenswürdigkeiten abfahren und indische Individualisten, die sich alternativ auf Entdeckungstouren begeben. Spannend!
Und dazwischen ich, die Bekanntes wieder findet und Neues bestaunt. Und sich bemüht, Leute zu treffen. Zuerst traf ich wieder Arite in einem schicken sehr beliebten kleinen Coffeeshop, wo ich einen Tee trank und ganz leckere Florentiner-Kekse aß.
Dann gingen wir gemeinsam zu Nawang, den wir beide gut kennen. Nawang ist einer der tollsten Menschen, die mir in meinem Leben begegnet sind. Er vertrieb als erster Ladakhi Kachmirwollschals und ist sehr umtriebig in der Weiterentwicklung. Wir hatten eine intensive gemeinsame Zeit, wo ich sehr viel über Kaschmirwolle und die Verarbeitung lernte und seine tollen Produkte vertrieb. Leider bin ich ja nicht die tolle Vertrieblerin und so habe ich es wieder aufgegeben mit den Schals. Trotz dass ich doch so einige an neue BesitzerInnen gebracht hatte. Jetzt empfehle ich nur noch allen seinen Shop und informiere mich, wie es damit weiter geht. Aber auch ohne die Schals sind wir glücklicherweise befreundet geblieben. Nawang ist ein toller Erzähler, immer ausgeglichen und fröhlich und intelligent und wissbegierig und umsichtig und witzig und liebevoll. Seine Frau Chorol mag ich auch super gerne, aber sie war auf einer Feier woanders. Nawang ist mit seinen drei Jungs in die Stadt gekommen (er wohnt außerhalb) und wir sind Mittag essen gegangen. Was ich an Nawang auch so gerne mag ist seine Selbstverständlichkeit, ein liebevoller Vater zu sein. Hier sind man ihn mit seinen Jungs:
Der rechte Sohn ist ein Frühchen und mit einigen Besonderheiten geboren. Hauptsächlich ist er blind, was in Ladakh nicht so einfach ist. Er hat spät angefangen zu reden und sagt bisher auch nur das Nötigste in kurzen Sätzen. Er hört super gerne ständig Musik und bewegt dabei Kopf und Arme und wirkt tatsächlich sehr zufrieden. Ich bin fasziniert, wie sich die Familie durch’s Leben navigiert und freue mich, immer wieder einen Einblick zu bekommen. Das nächste Mal hoffentlich wieder mit ein bisschen mehr Zeit.
Und abends traf ich dann meine Freundin Dolma mit Mann und Baby und ohne 1. Sohn, der war daheim geblieben. Dolma kenne ich seit 2015. Wir haben gemeinsam 3 Reisen mit Frauengruppen geleitet. Dolma ist eine prima Guide, aber ihr Herz hängt noch mehr in der Bildung. Sie studierte Erziehungswissenschaften und betätigt sich auf diesem Gebiet in diversen Jobs. Ich habe damals mitbekommen, wie sie mit ihrem Mann zusammen kam. Die beiden sind ein super Gespann und was ich an ihm so gerne mag: er fördert und unterstützt seine Frau wo es nur geht. Bzw. findet es wichtig, dass sie genau den Weg geht, den sie gehen will. Das kenne ich hier in nicht ganz so vielen Ehen.
Das Baby ist noch kein Jahr alt und war wohl mit das größte und schwerste Baby, was in Ladakh geboren wurde. Wie hat die zierliche Dolma das zustande gebracht? Jetzt ist er das Baby mit den größten Händen, die ich an Babys je gesehen habe. Mit Dolma lerne ich, wie es ist, Mutter und berufstätig zu sein in Ladakh. Nicht so einfach – wie überall auch. An einige Arbeitsstellen kann man seine Kinder (manchmal) mitnehmen. Das ist dann prima.
Dolma ist sehr engagiert in der Bildung im Changthang, das Gebiet der Nomaden, welches ein wenig abgehängt ist. Sie haben jetzt einen neuen Distrikt bekommen und manche engagierte Leute treffen sich am Folgetag mit Regierungsverantwortlichen. Nawang, der auch as der Gegend ist, ist Moderator und Dolma wird eine Rede halten. Darüber mussten wir diskutieren, weil sie gerne kritische Sachen sagen möchte, aber weiß, dass man sie dafür hinterher kritisieren wird. Vielleicht lieber doch nicht reden? Ach nein, Dolma macht das schon, sie kann nicht wirklich anders. und ich finde es toll, wie sie damit umgeht.
Eigentlich wollte ich alle meine Treffen in einen Blogpost tun, merke aber, dass ich doch zuviel erzähle und es dann zu lang werden würde. Also gibt es dann noch einen 2. Teil.
Ich bemühe mich diesmal sehr, die Leute zu knipsen oder uns knipsen zu lassen – normalerweise vergess ich es leicht. Dafür merke ich, dass ich noch gar nicht so viele Bilder machte, die den von mir beschriebenen Eindruck von Leh bebildern. Da ist noch was aufzuholen.
Hier ist aber doch schon ein bisschen was, was mir ins Auge sprang.
Es sind noch weitere Treffen angesagt. Ich bin vorfreudig!