BORJOMI

 

Als ich aufstehe, regnet es. Der Ort ist schnell durchsucht: Kein Lokal mit Sitzen, Kaffee und Frühstück. Es gibt nur Gebäck aus Luken. Die eine Luke sieht am nettesten aus. Ein Blick hinein zeigt eine heimelige Backstube mit fröhlich wirbelnden Frauen. Ich wage, um einen Kaffee zu bitten. Schnell wird ein kleiner Topf mit Wasser auf den Herd gesetzt und ich harre der Dinge unter meinem Regenschirm. Eine kurze Beratschlagung in der Backstube und schwups öffnet sich eine Tür, ein kleines Bänkchen und ein Eckchen vom Tisch werden freigeräumt und ich sitze im warmtrockenem, habe eine dampfende Tasse Kaffee vor mir und der Khatchapuri ist diesmal nicht mit Käse sondern mit einer pfeffrigen Bohnenpaste gefüllt. Die Herzlichkeit der Frauen wärmt genauso wie das Frühstück.
 

Nach dem Frühstück fahre ich per Marshrutka nach Akhaldsikhe, dem Ausgangsort für eine weite Fahrt zum Höhlenkloster Vardzia. In der Marshrutka sind auch Martina und Silke aus Deutschland. Da Marshrutkas sehr selten nach Vardzia fahren und wir das Geld durch drei teilen können, nehmen wir uns ein Taxi. Shota stopft uns in seinen 33-Jahre alten Polski Fiat, einer geflickten Klapperkiste, der wir die Fahrt nur bedingt zutrauen. Es pieselt nass aus grauem Himmel und wir hüpfen die schlaglochübersäte Straße nach Vardzia. Die Landschaft ist großartig, grüngrau, weit und leer. Vereinzelte matschige Hausansammlungen, seltene Schafherden und Kuhkleingruppen, die durch den Regen trotten. Menschliche Zeichen werden immer seltener und das Ende der Welt scheint nah. Frisch riecht es hier. Und wäre der Regen nicht, man möchte tagelang wandern durch das mit Felsen durchsetzte braungrün. Nach zwei Stunden herumrumpeln taucht hoch oben am Berg ein wahres Labyrinth aus Stufen, Gewölben, schmalen Gängen und einer uralten Gebetsversammlungshalle auf: das Höhlenkloster Vardzia. Leider haben sich die Mönche abgeschottet, und es ist ein bisschen schwierig, sich vorzustellen, wie dort die Tage verbracht werden.
 

Auf dem Rückweg schlägt uns Shota einen weiteren Ausflug zum Sapara-Kloster vor. Er verlangt etwas mehr Geld als gedacht und rechtfertigt es damit, dass der Weg nochmal hoch in die Berge ginge und nicht einfach sei. Um dies zu unterstreichen, fahren wir in Akhaltsikhe auch erst einmal zu einer Werkstatt, wo die Vorder- und Hinterreifen untereinander ausgetauscht werden. Kurz hinter Akhaltsikhe wird uns klar, dass das Unternehmen Abenteuercharakter haben wird. Von Asphalt keine Spur und der Regen, der jetzt glücklicherweise aufgehört hat, hat die Piste in eine glitschige Matschestrecke verwandelt. Der Motor heult, das Auto schlingert wie auf Eis zwischen Abgrund und Berghang und Shota wirbelt das Steuer geschickt hin und her. Bevor wir uns entscheiden können, ob wir uns dem Tode nah fühlen oder lieber Gottvertrauen entwickeln sollten, macht es plopp und das Auto steckt fest. So richtig. Der Matsch hat die Ränder in sich begraben und jeder Versuch Shotas, mit Motorhilfe wieder herauszukommen, schlägt fehl. Wir steigen aus und schieben, aber das Auto sinkt nur noch tiefer in den nachgiebigen Matsch. Die Fahrertür ist schon nicht mehr zu öffnen. Shota steigt rechts aus, schaut sich die Bescherung an und sein stolzer Wille bahnt sich seinen Weg. Nein, nein, niemand mit dem Handy zu Hilfe rufen oder zurückwandern, jetzt wird ein Stahlwerkzeug geschwungen und mit einem sehr schmalen Brett der Matsch beiseite geschaufelt. Der Schweiß fließt in Strömen. Wir helfen, so gut es geht. Ein nächster Fahrversuch: nichts bewegt sich. Hilfe holen? Nein, wo denken wir hin, er hat gesagt, er bringt uns zum Sapara-Kloster, also macht er das auch! Shota schuftet weiter, Silke findet einen Stein, um ihn unter das eine Hinterrad zu legen, Martina bekommt eine kleine Einweisung und setzt sich hinter das Lenkrad. Ein neuerlicher Schiebeversuch – das Auto säuft ab. Noch einmal. Bewegt sich da nicht was? Ein drittes Mal und unter ungläubigem Staunen fährt das Auto rückwärts aus dem Matsch. Nur Shota grinst zufrieden: Das hat er doch gleich gewusst! Welche Hindernisse sollten Shota und sein 33-jähriger Gefährte nicht meistern? Das Kloster ist dann tatsächlich auch sehr hübsch.