Goluboi – Diagnose, Anwendungen und Entertainment

08. + 09.04.2022

 

Das Leben im Sanatorium ist sehr reglementiert. Ich bekam am Anfang 2 Zettelchen, eines für mein Zimmer, ein anderes für die Mahlzeiten. Am Ende bekam ich sie zurück und musste sie an der Rezeption wieder abgeben. Wer weiß was wäre, wenn die verlorengegangen wären! Außerdem gab es ein Heftchen. In dem waren die Zeitenregelungen und Platz für Anwendungen usw. Man musste es mit sich führen und dann wurden die Daten eingetragen.

 

Die Zeitenregelungen

 

Die 2. Shift gab es allerdings nicht. Pünktlich zu den Mahlzeiten schlurften die Heilbedürftigen in den Speisesaal, wo schon eingedeckt war und die Teekanne bereit stand. Dann fuhren Frauen die Essenswagen durch die Gänge und servierten die Portionen. Mein Highlight war jeden Abend ein kleines Salattellerchen. Es war fleisch- und beilagenlastig – und für mich kein wirklicher Genuss.

 

Speisesaal

 

Ich verzehrte also mein Frühstück und machte mich dann auf zu Frau Doktor. Die wollte mich aber nicht haben und schob mich zu ihrer Kollegin, die ein wenig englisch sprach. Allerdings war sie wohl etwas ungeübt im Blutdruckmessen oder zu aufgeregt. Der erste Versuch ergab 60:20. Das könne wohl nicht sein und sie maß am anderen Arm: 80:40. Ob mir gar nicht schwindelig sei? (Ich habe eher 120:90 oder so). Ich wies auf meine Knie: Aua! (Sie zicken tatsächlich gerade). Ist was mit meinen Venen? Ich glaube nicht. Dann bekam ich aufgeschrieben: EKG (gleich nebenan gemacht – Ergebnis ist mir nicht bekannt, war aber offensichtlich nicht besorgniserregend), Schwimmbad, Parrafin, Schlamm, Turnen und noch irgendwas. Und wenn ich Massage wolle, wäre das auch OK, müsste ich aber zusätzlich zahlen.

 

Ich wanderte mit meinem Heftchen also los und fand auch das Gebäude für die Behandlungen, aber es war geschlossen. Komisch.

 

Anwendungsgebäude

 

Nur die Massage wollte mich (20,- Euro), allerdings war es bei ihr seltsam dunkel. Ich irrte noch etwas umher und dachte, ich bin zu dumm – aber dann ging mir ein Licht auf: Stromausfall! Nix fand statt – erst nach dem Mittag.

 

Also nächster Versuch. Zuerst wurde ich zum Schwimmen geschickt. Für Frauen war Badehaube ein Muss – auch wenn die Haare so kurz wie bei den Männern waren. Außerdem Badelatschen (hatte ich im Zimmer vergessen). Der nette Bademeister sucht mir irgendwoher welche und ab ging es in den Swimming-Pool! Der war speziell. Sehr speziell. Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll (Foto ging nicht), es war alles sehr schäbbig und rustikal, ein ca. 15 m langes Becken gefüllt mit warmem Salzwasser. 3 Herren (ohne Badehaube) und ich (mit Badehaube) schwammen ein wenig im tieferen Wasser herum, viele Damen und paar Kinder hielten sich im niedrigen Bereich auf und standen eigentlich eher freudig herum. Es gab ein paar Pflanzen im schröddeligen Ambiente und ich fühlte mich weit weg von daheim.

 

Dann ging es zum Paraffin. Meine Beine wurden heiß umwickelt und mit Decke eingemummelt und ich lag da so rum.

 

Paraffin eingewickelte Beine unter Decke

 

Das war eigentlich ganz nett. Und dann war auch schon wieder Abendessen angesagt. Man sitzt immer mit denselben Leuten am Tisch. Niemand sprach englisch, aber meine Nachbarin war doch ganz angetan von mir. Sie war früher mal in München gewesen, vielleicht zu einem Sportevent wo sie gelaufen ist, aber so wirklich habe ich es nicht verstanden. Jedenfallls erzählte sie allen, dass ich aus Bavaria komme und freute sich. Sie heißt Sana, wohnt in Bishkek und ist 64 Jahre alt. Sie hat jetzt meine Whatsapp und schickt mir manchmal Herzchen oder lustige Videos. Hier ist unser Abschiedsfoto:

 

Nana + Sana

 

Am nächsten Tag startete ich mit meiner Schlammbehandlung. Das war schon sehr speziell. Der Schlammmeister war jung und nett und sprach einige englische Worte. Ich musste mich bis auf Schlüpfer + BH ausziehen. Dann wurde mit einem Rohr schwarzer Schlamm auf ein mit einem Laken bedecktes Stahlbett verteilt und ich musste mich darein legen. Dann eine Plastikplane um mich herum und eine Wolldecke oben rauf und dann lag ich in der Brühe in diesem sehr schröddeligen Ambiente mit hoher Luftfeuchtigkeit und musste furchtbar rumkichern. Neben mir kam schon die nächste Frau zur Schlammbehandlung. Hier der Raum mit eingepackter Frau und weggespültem Schlamm.

 

Schlammbehandlungsraum – bereit für die nächste Person

 

Dann duschte ich viel und ging zu meiner Suite und duschte nochmal und wusch Schlüpfer und BH – und trotz einem weiteren Waschen riechen die immer noch komisch.

 

Ich beschloss: das war genug an Erfahrungen! Also an Behandlungserfahrungen. Meine Knie zicken immer noch. Am Nachmittag machte ich was anderes (nächster Post) und am Abend gab es noch ein Highlight, nämlich Entertainment.

 

Inzwischen habe ich noch eine andere Frau kennengelernt, die sprach perfektes französisch und ich kramte meinen mageren Wortschatz raus und so verständigten wir uns. Sie ist Guide. Und kennt Rakhat. Die Welt in Kyrgyzstan ist klein. Wir schickten ihm ein Foto:

 

Ich + guide

 

Sie heißt Meerim, ist 33 Jahre alt und hat 6 Kinder. Sie arbeitet für französischsprachige Reisegruppen als Guide und außerdem am Gymnasium als Lehrerin. Manche Frauen erstaunen mich. Sie war mit ihrer Mutter hier. Die hat selber 6 Kinder und 10 Enkel. Sana auch so ungefähr. Wir gingen dann zum samstäglichen Abendprogramm: einem Konzert!

 

Eine Dame kam auf die Bühne, trug ein Gedicht vor und mehrere Lieder. Dann kamen 2 Frauen + 1 Mann auf die Bühne und sangen Lieder wobei der Mann Akkordeon spielte und 1 Frau Komüz. Dann trugen sie alle noch was einzeln vor und dann wieder die Gedichtfrau usw.

 

Singende Gedichtfrau

 

Band

 

Das Publikum war spärlich (viele waren auch schon abgereist), aber die Stimmung war gut. Meerim, Mama und Sana waren voll am Mitsingen und Klatschen und 2 Frauen waren sogar so animiert, ein bisschen zu tanzen.

 

Publikum

 

Mein Fazit: es hat sich wirklich gelohnt! Alle kennen irgendwie dieses legendäre Sanatorium, es gehört zu Kyrgyzstan. Und ich hatte so das Gefühl, einfach noch ein bisschen mehr von ihnen mitbekommen zu haben. Oder eher: ein wenig Leben geteilt zu haben. Neue Erfahrunen gemacht. Ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung dafür.

 

Am Nachmittag habe ich aber noch was anderes gemacht. Und davon erzäle ich im nächsten Post.