Wenn man eine Erstreise in ein neues Land so richtig richtig toll gefunden hat, ist es für eine Zweitreise nicht immer leicht. Manchmal wird der gute erste Eindruck bestätigt – und manchmal ist es gar nicht so einfach. So ging es mir mit Kirgistan. Nachdem ich es auf der vorherigen Reise schnell als mein Zweitlieblingsland erklärt hatte, wollten sich diesmal diese Gefühle gar nicht so wirklich einstellen. Das lag an mehreren Faktoren – u.a. persönliche Hintergründe, unerwartete Hitze, (zu) viele andere Reisende, sowjetische Hässlichkeit, schwierige/teure Trekkingorga und ganz besonders hatte es mit einem Menschen zu tun: Rakhat. Er hatte mich eine ganze Woche auf der vorherigen Reise in sein Land eingeführt, wir hatten uns sehr gut verstanden, er zeigte mir tolle Berglandschaft, ermöglichte mir Familienbesuche und war überhaupt ein prima Reisegefährte. So hatte mir Kirgistan richtig gut gefallen. Meine Laune und Einstellung waren so positiv, dass sie mich auch durch die weitere Reisezeit trugen.
Aber nicht bis in diese Reise hinein. Ich war gestresst und hatte das Gefühl, hierhin und dorthin herumzuirren, immer auf der Suche nach der vorherigen Begeisterung. Nun ist es nicht so als sei ich die ganzen Wochen griesgrämig herumgelaufen, in meinem Blog sind ja durchaus einige Highlights nachzulesen, aber es war nicht einfach. Insbesondere fiel es mir nicht leicht, mit den Leuten in Kontakt zu treten. Später und auch in Begleitung von Ute, die selber sehr kontaktfreudig ist, wurde mir bewusst, dass eigentlich auch auf der ersten Reise viele Begegnungen eher reserviert waren. Also es gab schon Kontakt (damals und jetzt), aber oftmals nicht so, dass es sich rundherum vollkommen befriedigend anfühlt. Natürlich gab es in diesen 8 Wochen auch immer wieder Ausnahmen für die ich sehr dankbar bin, aber im Großen und Ganzen finde ich es nicht so einfach wie in Indien.
Das war die eine Erkenntnis dieser Reise: die Leute sind üblicherweise freundlich und es gibt auch gute, herzliche Kontakte, aber es ist eben doch oftmals eine unsichtbare Barriere da, die mich irritierte.
Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Ich wollte doch Reisen nach Kirgistan verkaufen – wie soll das funktionieren, wenn ich im Blog nicht voller eigener Begeisterung bin? Soll ich einfach nicht mehr schreiben? Ihn „geheim“ halten? In meinem Kopf wuselte viel zu viel herum. Momentan denke ich: das (Reise)leben ist eben nicht immer nur einfach rund. Manches davon wird zu einer interessanten Neuerfahrung. Manches bleibt unbefriedigt. Ich hatte vor gar nicht so langer Zeit dieses Buch gelesen: Alain de Botton: Kunst des Reisens und fand mich diesmal sehr gut darin wieder. Und ich denke und hoffe, dass prinzipiell interessierte Reisende meine eigenen Befindlichkeiten von potentiellen Kirgistan-Reiseerlebnissen für sie selber gut abstrahieren können. Weil zwischendurch ja doch auch immer wieder gut aufleuchtet, was das Tolle an Kirgistan ist. Und insbesondere die letzten 2 Reisewochen brachten in mir auch wieder eine Begeisterung hervor, die ich gerne weitergeben kann und mich absolut hinter der Reisevermittlung stehen läßt.
Was Kirgistan so besonders herausstechen lässt ist die unglaubliche Vielfältigkeit in Berglandschaften, die für mich momentan sogar Ladakh/Indien und Nepal toppt. Zwar bleibt meine Lieblingsgegend weiterhin das Changthang, aber dort ist es hoch (üblicherweise über 4.500 m) und somit braucht es viel Höhengewöhnungszeit. Hier in Kirgistan gibt es ähnliche Landschaft, aber runde 1.500 – 2.000 m niedriger! Das macht eine Reise hierhin sehr viel attraktiver. Zwar geht nichts über den Anblick eines nahen 8.000er wie in Nepal und genau das kann Kirgistan auch nicht bieten, aber es hat auch sehr hohe Berge und dabei den Vorteil von nicht so vollen Trekkingrouten. Leider habe ich auch dieses Mal keine tagelange Trekkingtour gemacht, aber das möchte ich unbedingt noch erleben. Und bin mir aber auch ohne eigenes Erleben vollkommen sicher, meiner Reisekundschaft tolle Trekkingerlebnisse bescheren zu können.
Also diese Berge. Das hat mir diese Reise wirklich deutlich gezeigt: das ist das absolute Highlight von Kirgistan und lässt einen nur staunen, wieviele Varianten es auf kleinem Raum gibt. Und auch wenn ich eigentlich am liebsten zu Fuß in den Bergen unterwegs bin – hier ist das Landschaftserlebnis im Auto nochmal anders, weil man so besser mitbekommt, wie schnell sich die Landschaft in relativ kurzen Distanzen ändert. Allein diese 10 Std.-Fahrt von Bischkek nach Osch ist ein Erlebnis, die Strecke zwischen Son Kul und dem Suusamyr Valley toppt das noch – und es gibt noch so viele Gegend südlich davon, die ich noch nicht kenne. Hier kann ich wirklich ins Schwärmen geraten!
Auf der ersten Reise hatte ich gar nicht so viele Übernachtungsmöglichkeiten kennengelernt: private Unterkunft, Sanatorium und ein paar Gästehäuser. Diesmal habe ich viel mehr ausprobieren können. Fazit: es ist überall sehr sauber. Nur in der Jurte in Altyn Arashan habe ich meinen eigenen Innenschlafsack genutzt. Die Toilettensituation ist dagegen nicht immer einfach – man hat nicht immer Bad im Zimmer sondern manchmal auf dem Flur und manchmal ist es ganz schön weit weg. Eine kleine Herausforderung insbesondere für nächtliche Klogänge, aber bewältigbar. Man soll nirgendwo das Klopapier (oftmals das harte Kreppp-Papier) direkt in die Kloschüssel werfen sondern in den nebenstehenden Eimer. Da wunderte mich, wie schnell man sich (nach 2 gedankenverlorenen Fehlwürfen) umgewöhnen kann. Neu waren für mich Jurtenübernachtungen. Was ich daran schön finde: es ist fast so naturnah wie ein Zelt, aber viel bequemer, man hat Matratzen, eine Glühbirne, kann aufstehen und ein Ofen bringt sehr schnelle gute Wärme.
Bei der ersten Reise erschien mir das enorme Fleischangebot insbesondere mit fettem Hammel ein ganz schön großes Problem. Diesmal war es einfacher. Zwar scheint sich mir das Gemüseangebot auf Tomaten, Gurken, Möhren, Kartoffeln und Weißkohl zu beschränken mit seltenen Ausnahmen wie Auberginen, Bohnen und Kürbis – aber es war verbreiteter als damals. Sicherlich auch weil die vorherige Reise in der Vorsaison war und nicht so viel Gemüse überlebt hatte. Meine Partnerreiseagentur hat in Zusammenarbeit mit den Unterkünften ein gutes vegetarisches Angebot erarbeitet und so ist es kein Problem mehr, ohne Fleisch zu reisen! Im organisierten Reiseteil hatten wir bis auf manche Mittagsausnahmen in Restaurants alle Mahlzeiten bei den Leuten bekommen – und es war immer eine gut gekochte Vielfalt auf dem Tisch. Manche Reisende waren von der hiesigen Küche sogar sehr begeistert – nach 8 Wochen muss ich sagen, dass ich selber das Angebot etwas eingeschränkt finde, es wiederholt sich zu viel. Aber für die üblichen drei Reisewochen ist es durchaus eine kulinarische Freude. Nur Kaffee….. Den gibt es manchmal gar nicht (ein eigener Vorrat an Nescafe ist nicht verkehrt) und wenn, dann nicht gefiltert oder sonstwie außer in speziellen Cafés in Bischkek, Karakol oder Osch. TeefreundInnen haben es leichter. Und – ach ja – Obst! Es war Wassermelonenzeit und das war in der Hitze sowieso das Beste.
Was ich noch schön finde: neben Natur (ob Berge oder Seen) ist das, was man angucken oder machen kann recht vielfältig. Zwar waren Schulferien, aber es gab trotzdem Schulen zu besichtigen und Lehrkräfte zu sprechen. Filznäharbeit finde ich super. Adlerjäger bin ich zwiespältig. Dunganenbesuch ist prima. Eine musikalische Darbietung (über die ich hier gar nicht berichtete) ebenfalls. Jurtenbau steht auf der To-do-Liste.
Durch meine vorherigen Erlebnisse mit Rakhat und dem Fehlen von Guide/s dieses mal kann ich sagen: unbedingt mit Guide! Manchmal ist die Konversation mit Übersetzungsapp ein lustiges Erlebnis und manchmal finden sich auch interessante englisch- oder deutschsprachige GesprächspartnerInnen, aber man erfährt einfach doch viel viel mehr mit Übersetzungsbegleitung. Einziger Nachteil: sie sind relativ teuer, da man ihre Übernachtungen und Mahlzeiten voll mitbezahlt und auch der Tagessatz nicht gerade gering ist. Aber dafür hat ein armer Guide ja auch keine Ganzjahresbeschäftigung, da die Sommersaison nur kurz ist.
Was für mich neben den Bergen die (zwiespältige) Attraktion Kirgistans ausmacht ist des „Postsowjetismus“. Für mich Neuling damit ist es ein ungemein faszinierendes Neulerngebiet und genau das finde ich auch super für westliche Reisende insbesondere wenn sie damit bisher nicht so viele Berührungspunkte hatten. Für mich selber hat es auch viel mit Abstoßung zu tun (ich finde die Architektur nur hässlich, hässlich, hässlich), aber gleichzeitig ist es auch eine Faszination: Wie kommt man nur auf so unhübsche Ideen? Aber auch inhaltlich, also was macht das alles mit den Menschen und ihrer (Lebens)Einstellung, finde ich sehr spannend. Es kam diesmal definitiv zu kurz, aber was nicht war, kann ja noch werden. Erstmal beziehe ich noch viel aus Büchern. Und eben was ich so sehe. Dabei ist es nicht schlecht gewesen, vorher auch direkt noch in einem postsowjetischen Land gewesen zu sein. Seltsam war, dass ich mich an manchen Orten in ähnlichen Erinnerungen verlor – und nicht auf Anhieb sagen konnte, ob diese aus dem vorherigen Mal Kirgistan oder Armenien stammten (seltener Georgien).
Nach einem holperigen Anfang mit meiner neuen Partnerreiseagentur haben sie mich nun doch vollends überzeugt mit ihrem guten Angebot, wo man an Orte kommt und Sachen erlebt, die andere nicht ganz so bieten. Auch klappt die Kommunikation schnell, gut und verlässlich. Und so stehe ich nun voll und ganz hinter meinem Reiseangebot Kirgistan und würde mich riesig freuen, Reisende zu vermitteln. Auch habe ich wenn auch nur einen oberflächlichen eigenen Eindruck bekommen und denke, dass ich auch selber schon gut dabei sein kann, Tourpläne zu machen. Aber Kirgistan ist einfach zu groß und vielfältig um richtig viel zu kennen. Immerhin bin ich jetzt auf insgesamt 11 (langsame) Reisewochen gekommen.
Meine schönsten Momente hatte ich definitiv beim herumstrolchen in der Landschaft – zu Fuß ist es einfach ein anderes erleben. Ich würde gerne ein bisschen Zeit verstreichen lassen, bin mir aber gewiss, dass es mindestens noch ein drittes Mal Kirgistan für mich geben wird. Zu viel, was ich noch nicht sah und erlebte – und einiges, wo ich nichts dagegen hätte, ein weiteres Mal dort zu sein!