Son Kul -> Kyzyl Oi – staunendes Geschaukel

17. August 2023

 

 

Unser Fahrer Erik kannte so gut wie keine englischen Worte. Aber eines war ihm sehr wichtig: „Asphalt“. Und jedesmal, wenn es keinen gab, guckte er traurig: „no asphalt“ und wenn es dann wieder geteert war leuchteten seine Augen auf „asphalt!“. Wir schlossen uns dem an. Bisher hatte ich in Kirgistan eher sehr gute Straßenverhältnisse erlebt und wunderte mich, warum sich manche Menschen beklagten. Am heutigen Tag konnte ich mich dem anschließen – 90% der Strecke war ohne Asphalt und anstrengend. Immerhin hatten wir Glück und unsere „Ballons“ blieben rund. Aber was für eine Strecke! Ich kam aus dem Staunen nicht heraus und vergaß meistens die Beschwerlichkeit.

 

Zuerst fuhren wir um den Son Kul herum. Der Bogen ging an der Stirnseite ziemlich weit weg vom See und so konnten wir besser die Dimensionen erleben. Hier ging das Hochplateau noch gut weiter und war voller einzelner Jurten von den Familien. Bzw. viele Familien hatten neben 1 oder 2 Jurten noch kleine Hütten, oft aus Wellblech. Hütten sind sehr viel günstiger als so eine Jurte. Bauwagen waren nicht so viele wie in anderen Gegenden. Es gab auch noch einen kleinen Teich mit schöner Spiegelei und an der anderen Uferseite weitere große Jurtencamps. Hier ist gut Tourismus, aber noch verläuft er sich bzw. fällt nicht so ganz unangenehm auf.

 

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Dann führte die Straße fort vom See um auf der anderen Seite durch weitere weite Landschaft zu einem kleinen Pass zu gelangen. Ganz in der Ferne in der einen Tierherde konnten wir ein paar Yaks ausmachen, ansonsten viele Pferde, Kühe und weniger Schafherden als gedacht. Die Schafherden sind hier oft besonders groß, das hat allerdings nicht den Hintergrund, dass eine Familie besonders viele hat sondern dass andere Leute ihnen ihre geben zum Hüten.

 

Eigentlich wollte ich noch was zum Einkommen der Nomaden schreiben, welches nicht so wirklich hoch ist, aber ich finde es gerade nicht. Dafür empfehle ich Mélanie Simons und zwar als Podcast (ich glaube, hier war die Info) und ihre Doku auf Youtube. Sie gibt jedenfalls einen guten Einblick und kann auch gut erzählen.

 

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Hier noch ein paar Infos zu den Halbnomaden: In der Sowjetunion mussten die Nomaden eine feste Wohnadresse haben und auf die Landwirtschaft umsteigen. Danach wollten sie ihr Nomadenleben wieder aufnehmen bzw. es wurde eine Form des halbnomadischen Lebens: im Winter im Dorf/auf einem Gehöft, im Sommer mit einer Jurte in den Bergen. Gewechselt wird hier nur sehr selten, meistens reicht das Gras für die Saison.

 

Vom Pass konnte man von weitem Kohleabbau sehen. Bzw. es wurde im bunten Gestein herumgewühlt und ich verstand es nicht und später sagte man mir: Kohle. Und wer jetzt gedacht hat, dass das Stück von Bergabbau zur großen Straße geteert ist, damit das Gestein schnell transportiert werden kann – hat sich getäuscht. Es wird weiter langsam herumgeholpert.

 

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In Bash Kuugandy, wo ich 2022 war, erreichten wir die Hauptstraße. Damals war es frisch und kühl, diesmal wüstig heiß. Ich verlor mich in Erinnerungen. Zeit für Besuche hatten wir jedoch nicht. Die Hauptstraße führt inzwischen fast perfekt asphaltiert bis nach Osh – allerdings bisher ohne Marshrutka-Verkehr. Wir fuhren auf ihr bis ein Stückchen hinter Chayek und bogen dann nach Norden ab. Es ging durch eine bunte Landschaft, wie ich sie noch nicht gesehen hatte. Eigentlich dachte ich, Indien insbes. mit Ladakh ist so das Top Highlight unter Berglandschaften. Naja, Nepal vielleicht auch. Aber jetzt widerrufe ich das wahrscheinlich und setze Kirgistan an die Nr. 1. Es vereinigt verschiedenste Bergwelten auf kleinstem Raum, d.h. oftmals sieht es nach 30 min Fahrt oder 1 Gehtag völlig anders aus! Und nicht einfach nur anders – es läßt mich auch Staunen. Dieser Tag war quasi der landschaftliche Höhepunkt meiner gesamten Kirgistan-Zeit.

 

Es ging einen blauen Fluß entlang hinein in eine Schlucht mit vielen überwiegend roten Bergfelsen. Die Straße war sehr staubig und leer. Nach den letzten einzelnen Gehöften kamen keine Dörfer bis zu unserem Ziel. Aber ein paar Leute fanden, dass hier ein gutes Angelgebiet sei und gingen dieser Tätigkeit nach. Hier nun die Bilder dazu:

 

 

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Unser Ziel war Kyzyl Oi, das erste Dorf nach dieser Schlucht. Und da sah es tatsächlich so aus wie in Ladakh! Es gab die gleichen hohen Pappeln, die gleichen trockenen Berge, die gleiche Dorfoase – allerdings mit völlig anderen Häusern. Wir blieben einen ganzen weiteren Tag für eine Wanderung – die gibt es im nächsten Blogpost.

 

Seit der 2. Nacht am Son Kul waren wir nicht mehr ganz allein. Ein deutsches Paar aus Ulm fuhr dieselbe Strecke, hatte aber immer nur 1 Nacht jeweils gebucht. Sie würden sich sonst langweilen. Ute und ich waren dagegen froh um unsere fast überall 2 Nächte – langsameres Reisen lässt einen doch Gegenden und Menschen ein bisschen besser erfahren. Dieses Paar hatte auch ein großes Auto mit Fahrer. Der war der Neffe von unserem Fahrer – hier sind die beiden:

 

Erik und Nurlan

 

Das Geheimnis der großen Autos für nur 2 Leute ist das, dass die Agentur nur mit Fahrern zusammen arbeitet, die sie schon jahrelang kennen und ihnen vertrauen. Jeder Fahrer hat nur ein Auto. Und da die Agentur oft Gruppen hat, haben die Fahrer lieber große Autos um diese zu transportieren. Wir waren einerseits befremdet in dem großen Auto, andererseits war es auch toll, so weit oben vorne mit dem riesigen Fenster zu sitzen.

 

Erik spricht kein englisch oder sonstiges, nur russisch und so kommunizierten wir mit Wörtern, Gesten und Übersetzungshilfe. Diese ist allerdings nicht immer wirklich gut und produziert oftmals lustige Inhalte, die so gar nicht passen. Er ist Fahrer mit Leidenschaft und Erfahrung und fuhr uns sehr sicher und aufmerksam über Kirgistans Straßen. Nach anfänglichen Zurückhaltungen beiderseits tauten wir immer mehr auf und fanden auch genügend Sachen zum Lachen. Ab diesem Tag wurde ich sogar öfters gefoppt. Das war schön.

 

Erik wohnt mit seiner Familie knapp südlich vom Issyk Kul – auf seine Töchter ist er ziemlich stolz. Z.B. zeigte er uns, wie so ein kleines Mädchen auf einen riesigen Traktor kletterte und ihn ganz sicher startete und herum fuhr. Er war auch 2 x in Deutschland um von dort Waren nach Kirgistan zu fahren. Manche Länder bekamen von ihm ein Daumen Hoch (z.B. Deutschland) und manche ein Daumen runter (z.B. Belarus).

 

Und wenn wir einen Tag wandern wollten, ruhte er sich aus und erfreute sich an den Inhalten seines Handys. So wie am Folgetag in Kyzyl Oi.