St. Martin Vesubie -> Boréon – Das kleine Wort „anspruchsvoll“

8. Juni 2025

 

 

8,4 km

950 m hoch

420 m runter

5 Std.

 

Das ist es, was Mapy mir zu dem Tag sagte. Eine andere Beschreibung sprach von 1 Std. und fast 100 Höhenmetern weniger. Jedenfalls erschien es mir gut machbar. Trotz einer Anreise von über 2 Std. aus Menton, die allein aber schon absolut spektakulär war. Eine Wahnsinnsgebirgslandschaft in die unzählige Straßenkurven reingebaut wurden. Das Auto schraubte sich über Sospel zum Col de Turini hoch – und auf der anderen Seite wieder runter. Dort begegneten uns lauter „Tour de France“ Schilder und insgesamt auch fast mehr radstrampelnde Menschen als Autos. Papa und ich staunten. Und dann waren wir in dem nett ausschauenden größeren Dörfchen St. Martin de Vesubié, wir fanden einen Halteplatz zum Start – und los ging es!

 

Wanderstart

 

Ich überholte ein Paar, welches nach Tageswanderung aussah, sah sie nie wieder – und schraubte mich in Kehren nach oben. Zum Glück war es gut bewaldet und schattig. Und trotzdem schwitzte ich wie verrückt. Das ging aber auch viel hoch! Es war voll sonnig, allerdings nicht so ganz klar, was sicherlich noch mehr Schweiß produzierte. Es war nett, aber es sah (noch) nicht sonderlich spektakulär aus. Somit entstanden eher weniger Fotos. Manchmal touchierte der Pfad eine Schotterpiste, manchmal waren es breitere Forstwege, aber meistens ging es auf netten recht steilem Pfad mit Baumwurzeln und Steinen immer höher. Es war kaum jemand unterwegs, ich erinner mich gerade nur an einen Bergläufer, der hoffte, bald eine Wasserquelle zu finden.

 

Pfad

 

Schotterpiste

 

Französische Wegweiser ohne Zeitangaben

 

Und dann war ich doch irgendwann oben! Eine hübsche Lichtung, Picknickbank, verschlossenes Hüttchen und ein bisschen Blickmöglichkeit. Collet de Cotignot. Rechtzeitig zum Mittagessen. Und dann kam auch noch eine kurze Gesellschaft: ein Amerikaner mit franz. Wurzeln. Der war hier aber nur für einen Tagesausflug und wollte denselben Weg wieder runter.

 

Mittagspause

 

Hüttchen

 

Es blieb meistens schattig und ich hatte nicht mehr viele Höhenmeter vor mir (außer am Ende nach unten). Aber – uff – ich hatte bei der Beschreibung „anspruchsvollere Abschnitte“ auf die zu leichte Schulter genommen.

 

Ein sehr schmaler Pfad, oftmals nur 1-Fuß-breit, führte an recht steilem Abhang entlang. Ein Fehltritt und man fliegt. Oder purzelt. Und diesen Weg ging wohl niemand. Jedenfalls habe ich ab hier gar keine Menschen mehr gesehen und gedacht: hui, das ist jetzt doch heikler als ich (für den ersten Tag) erwartet hatte. Vorsichtig setzte ich konzentriert Fuß vor Fuß und kam nur langsam voran. Kein Podcast-hören mehr. Keine Motivationsmusik. Nur angespanntes aufmerksames Bodengegucke. Und eher fast keine Bilder.

 

Bisschen Blick

 

Bisschen Pfad

 

Und das Ziel wollte und wollte nicht näher rücken. Bäume, anklammernde Gebirgspflanzen, Steine und leichtes auf und ab. Ich fing an zu kämpfen. Und irgendwann, viel später als gedacht, kamen die paar Häuschen von Boréon in Sicht. Und ich freute mich. Es ging noch ein ganzes Stück nach unten, aber dann war ich endlich da. Boréon hat auch einen See und ich dachte: wie hübsch. Aber Pustekuchen, es hatte hier große Abgänge an den Bergen und Überschwemmungen gegeben und so war da eher große Baustelle.

 

erste Sicht auf Boréon

 

Baustelle

 

Um die Ecke dann die Gite d’Etappe de Boréon. Sie wirkte recht neu, wurde von 3 Leuten betrieben, war recht gut besucht und hatte Mehrbettzimmer. Und eine Dusche! Ganz schön mit warmem Wasser! Ich war auch vollkommen verschwitzt, da war das doch ein großer Genuss. Ich hatte immer Abendessen gebucht und das ist auf allen Hütten in Frankreich immer richtig groß: Vortisch (hier Salat, danach immer Suppe), Hauptgericht (hier Lasagne), Käse mit Brot und Nachtisch (hier Crème Brulèe). Ich saß mit 1 x 4 und 1 x 3 Personen zusammen am Tisch und niemand sprach englisch. Mir schien, auch die anderen Gäste nicht. Und so fühlte ich mich ein wenig einsam (war auch sonst niemand allein unterwegs). Mein Französisch reicht für sie rudimentäre Verständigung, aber nicht zur Konversation. Erst recht mit mehreren Menschen.

 

Gite d’Etappe de Boréon

 

Trotzdem war ich recht zufrieden und schlummerte gespannt dem nächsten Tag entgegen. Würde ich einsam bleiben?