Uttarakhand – Erinnerungen vor der Reise

Ende August 2022

 

Rishikesh – 2005

 

In 3 Wochen sollte ich in Delhi gelandet sein und eine Reise nach Uttarakhand starten. 1995 war ich mal dort. Vor dem Internet schrieb ich keine Mails oder Blogbeiträge sondern Tagebuchbriefe an FreundInnen, die ich nach der Reise kopierte. Die füllen jetzt Ordner. Und heute dachte ich mir, dass ich doch mal schauen müsste, was ich 1995 schrieb. Ich machte damals Dias, die habe ich jetzt keine Lust zu suchen und zu scannen. Damit es nicht ganz bildlos ist, zwei Fotos aus der Gegend aus 2005 – da war ich nur sehr kurz im Winter in der Gegend.

 

Aber hier jetzt Auszüge aus meinem Tagebuchbrief von 1995:

 

21.10.1995

Liebe U.

(…) gestern war ich in einer scheußlichen Stadt, heute bin ich in einem scheußlichen Ort, habe seit Nainital kein westliches Gesicht mehr gesehen, habe Kopfschmerzen (das 1. Mal) und stelle fest, dass ich Indien nicht mag.

Ich stand um 4:15 auf, da der Bus um 5:00 fahren sollte. Als ich frohgemut einsteigen wollte, habe ich erstmal die schnarchende Buscrew geweckt – es ging erst um 6:00 los. Bereits nach 5 min Fahrzeit kotzte der Junge mir gegenüber los und tat das, bis er wieder ausstieg. Es ging in fürchterlichen Kurven durch die Bergwelt und überhaupt kotzen andauernd Leute aus den Bussen heraus. (…)

Irgendwann nach 11:00 kam der Bus an seiner Endstation an, es sollten noch 90 km zum nächsten größeren Ort sein und dann noch 85 km bis Joshimat, wo ich erstmal richtig hin möchte. Leider schaffte ich es nicht dahin. Erstmal fuhr ich mit so einer Art Sammeltaxi und stellte fest, dass nicht nur Himachal Pradesh von Erdrutschen heimgesucht worden war, sondern auch Uttar Pradesh. Einmal hieß es dann wieder wandern (Anmerkung: über einen Erdrutsch), danach gab es einen kaputten Bus, d.h. er sprang nicht durch Schlüsseldrehen an, sondern nur durch Anrollen. Durch diese Widrigkeit dauerte die Reise recht lange + ich war ca. 16:00 in Karnangprayat und möchte nicht mehr weiterfahren, da ich fertig + kopfschmerzig + genervt war. (…)

 

22.10.1995

Gestern vergaß ich noch über die mir fehlenden westl. Touris zu jammern. seit Delhi mit niemandem mehr richtig gesprochen, was in 1. Linie an Ermangelung der Touris liegt. Irgendwie sind hier keine, in Almora nicht und auch nicht in Karnangprayat. Dabei habe ich ziemliche Sehnsucht nach Gespräch, besonders wenn mich der Rest (Landschaft + Leute) nicht von den Socken reißt. Aber heute hat sich das Blatt ein bisschen gewendet. Zwar immer noch keine Touris, dafür begeistert mich die Landschaft + das Hotel ist auch sehr zufriedenstellend.

Bin also um 5:00 aufgestanden – der. Bus fuhr um 6:00 – aber immerhin, er fuhr. Viele Kurven, viele Stops + ich bekam schon wieder einen Genervtheitsanfall von 2 Schafhirten (?), die sich im Bus (einer vor, einer neben mir) mit einer Wahnsinnslautstärke anbrüllten + sich unterhielten (klang immer wie gereizte Diskussion) + Kette rauchten. Der eine war besonders unsympathisch. (…)

Aber dann wurde die Landschaft immer spektakulärer (extrem tiefe Schlucht + hohe Berge), die Typen redeten weniger – kurz vor 11:00 (fast 5 Std. für 85 km) war ich in Joshimat, wunderschön auf 1.800 m gelegen mit wahnsinnig tollen Blicken auf noch höhere Berge, teilweise mit Schnee. Doch, das hat mir gut gefallen + ich war auch etwas erleichtert. (…)

 

Joshimat 2005 – längste Seilbahn Indiens

 

(Ich hatte dann nette Erlebnisse in Joshimath ohne andere Touris, aber gesundheitliche Probleme. Ich nahm Malariatabletten – man frage mich nicht, warum. Ich vermute, dass das die Ursache war)

 

24.10.1995

(…) Langsam Sachen gepackt und um 11:30 fuhr ein Bus nach Badrinath. Das ist ein Ort am Ende der Straße in 3.100 m Höhe, wo sich ein wichtiger hinduistischer Tempel befindet. Die Region, wo ich bin, nennt sich Gharwal und zeichnet sich nicht nur durch diese sehr hohen Berge aus, sondern auch durch sehr wichtige hinduistische Tempel, zu denen sehr viele InderInnen pilgern. Die 4 wichtigsten Tempel liegen jeweils an 4 Straßenenden in hoher Höhe. Es sind sehr viele InderInnen unterwegs und deswegen auch viele Unterkünfte (…).

Die Berge wurden immer karger und gewaltig und ich habe beglückt gestaunt. Badrinath ist dagegen äußerst seltsam. Es wirkt so komisch barackenmäßig, sehr einsam und sehr kalt. Ging auch ein böser Wind durch den Ort, da habe ich fast gleich losgefröstelt. Aber von der Landschaft bin ich begeistert. Komisches Hotel, aber egal. Erstmal essen, dann zum Tempel. Mein erster hinduistischer und er hat mich doch etwas verstört. Habe überhaupt nix kapiert, fand die Atmosphäre sehr merkwürdig. So ganz durchschaue ich das mit den Leuten auch nicht., es gibt da diese abgewrackten Männer, die fettiges langes Haar haben, relativ wenig bekleidet sind und mit einem Blecheimerchen durch die Lande ziehen. Es gibt Swamis, Sadhus, weiß nicht, ob sie eines davon sind. Jedenfalls sind sie wohl auf dem Weg zur Erleuchtung, aber im Gegensatz zu buddh. Mönchen erscheinen sie mir immer völlig irre statt bewundernswert. Und ich habe auch nicht abgerafft, ob sie mich anbetteln oder nicht.

Beim Tempeleintritt bekam ich gegen Geld rote Farbe zwischen die Augenbrauen geschmiert + darauf 2 Reiskörner gebappt. Die Hindus machen das andauernd. Es wimmelte von recht vielen Leuten, es gab einige komische Figuren in kleinen Räumen, aber was die Leute da machten konnte ich nicht durchschauen. Seltsam seltsam. Leider Photographierverbot, kann dir also nicht zeigen, wie es dort aussah. Völlig verwirrt ging ich raus (…).

Prinzipiell würde ich aber gerne nochmal mit Begleitung herkommen und wandern, die Landschaft ist einfach super.

 

(In der Nacht ging es mir nicht gut mit Fieber, Kopfschmerzen, übergeben, frieren usw. Am nächsten Vormittag nahm ich einen Bus Richtung Rishikesh)

 

25.10.1995

(…) Im Bus habe ich wieder einen indischen Freund fürs Leben gefunden, von dem ich gar nicht so gerne Freund sein will. Er erzählt mir lauter komische Sachen in extrem schwer verständlichen Englisch. Ich brumme meistens zustimmend dazu. Er ist 66 und denkt viel über den Tod nach. (…) Ansonsten gibt es nix zu berichten von der Busfahrt außer dass ich die Pudelmütze bis 12:30 nicht abnahm.

 

(Und dann war ich am nächsten Tag in Rishikesh, es gefiel mir auch nicht wirklich, ich reiste zum Taj Mahal, das gefiel mir sehr, und dann nach Darjeeling und da war alles wieder gut)

 

Meine damalige Reiseroute

 

Ich musste lachen, wie ich damals war und vermute, dass ich diesmal alles anders erleben werde. Zumindest hat sich mein Verhältnis zu Indien geändert, ich laufe eher vor westlichen Touris weg und Hinduismus verwirrt mich nicht mehr so. Ich schrieb ja damals, dass ich gerne mal mit jemandem anderen in diese Gegend reisen würde. Das mache ich nun im September.