Und wieder startete ein wundervoller Morgen auf der Farm. Allerdings hieß es für uns, Abschied zu nehmen. Der fiel recht emotional aus. Aitengül und ich hatten eine herzliche Verbindung ohne Worte. Ich weiß nicht, ob es auch anderen so geht, aber bei einigen Leuten (eher Frauen), deren Sprache ich nicht spreche, habe ich so ein spezielleres Nähegefühl als bei anderen. Aitengül ließ übersetzen, dass es ihr auch so gehe. Sie würde mich sehr mögen, ich sei so „simple“. Ich liebe ihre verschmitzte Art, ihre liebevolle Aufmerksamkeit, ihre Bereitschaft bei der kleinsten Andeutung von Lustigkeit gleich loszuprusten und ihre ruhige Geschäftigkeit. Leider bin ich nicht wirklich gut in Selfies und so haben wir nur dieses doofe Bild. Und eine herzliche Abschiedsumarmung.
Ihr Mann hatte tatsächlich Tränen in den Augen als Rakhat sich verabschiedete. Er macht sich ziemliche Sorgen um die Zukunft und hat sich wahnsinnig über den Verwandtenbesuch gefreut. Wir starteten erstmal schweigend und in Gedanken. Dann trafen wir nochmal den älteren Sohn auf dem Pferd mit seinen Schafen.
Wir gingen leicht anders bergab und sahen noch so einige andere Details.
Die Russen hatten hier mal große Pläne und dachten, man könne die Weite mit Wasserkanälen durchziehen und Ackerbau betreiben. Daraus wurde nichts. Die KirgisInnen erscheint es eher aussichtlos und sie bemühen sich nicht weiter.
Bergab wandern klappte flotter als bergauf, allerdings war die Sonne schon ganz schön warm und die Füße qualmten. Nichtsdestotrotz begeisterte mich die Weite mit den unterschiedlichen Details weiterhin.
Nun aber genug mit diesen weiten Bildern! Es gab auch noch etwas Nahes zu sehen, nämlich dieser Stein. Der hat in der Mitte ein Loch querdurch, damit man eine Schnur durchziehen konnte, die einem Pferd umgebunden wurde. Dann durfte das Pferd damit im Kreis gehen und dreschen oder mahlen. Ich hatte eigentlich dreschen verstanden, aber damit gehen dann doch die Körner alle platt?
Nicht nur unsere Füße qualmten, auch unsere Haare fetteten (meine länger als seine) und wir träumten von warmem Seifenwasser. Bzw.Rakhat träumte nicht sondern handelte und trieb einen weiteren Verwandten auf, der uns in sein Haus einlud. Er holte uns sogar mit dem Auto ab! Und der sollte sogar eine warme Dusche haben! Wir gingen noch zur ersten Verwandtschaft für das Restgepäck, tranken einen Tee und dann stand auch schon der nächste Onkel mit seinem Auto vor der Tür! Eine sanfte Fahrt führte uns weiter westlich in die Bezirkshauptstadt Chayek. Dort wohnt der Onkel mütterlicherseits (die anderen Verwandten waren alle vom Vater), ein Boss von mehreren Schulen, mit seiner Frau (Lehrerin) und drei Kindern. Lehrkraft und überhaupt Berufe im Bildungsbereich sind leider nicht gut bezahlt in Kyrgyzstan und die beiden rackern sich gut ab für ihre Kinder. Aber dazu später. Erstmal die schöne Autofahrt.
Inzwischen hatte übrigens Ramadan angefangen. Der Großteil der KirgisInnen sind Moslems, zwar nicht so strenggläubig wie andere (das kommt nochmal extra) und nicht alle machen Ramadan (die Farmerfamilie nicht – allerdings wurde vor dem ersten Abendessen gebetet), aber diese Familie schon. Es war aber sowieso noch nicht wirklich dunkel und so gab es tatsächlich den erhofften Luxus: eine warme Dusche! Ein duftender Körper! Weiche saubere Haare! Frische Wäsche! Also außer das mit den Haaren (das war schon über 1 Woche her) hätte ich das schon noch länger gut haben können ohne ordentliche Waschgelegenheit, aber wenn die Dusche da ist, nehm ich sie doch gerne.
Wohlduftend machte ich mich dann mit an die Abendessensbereitung, bekam das Weinen beim Zwiebelschneiden und Knoten in die Finger beim Pelmeni-falten.
Aber egal wie die Eregbnisse optisch aussahen, sie schmeckten uns allen super und es wurde noch ein Gruppenfoto vorher produziert. Rakhat und ich mit locker flockigen duftigen Haaren. Der Rest sowieso.
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich zum Son Kul See wandern, aber es kam anders. Die Geschichte gibt es im nächsten Post..