Die weitere Anreise nach Tbilisi war im Gegensatz zum vorherigen leichten Kuddelmuddel ereignislos. Pünktlich fuhr eine S-Bahn zum Flughafen, beim Einchecken gab es eine kleine Aufregung mit einem aufgebrachten Türken, aber ich kapierte nicht, was das Problem war, draußen war es feucht, ich wartete bis ich in den Flieger konnte und machte ein Foto auf der Damentoilette:
Im Flieger hätte ich mir gewünscht, dass Kinder unter 5 Jahren nicht fliegen dürfen. Es gab viele, sie waren laut (am grausamsten das Kind, welches einfach nur einen lauten schrillen markerschütternden Ton von sich gab), ich litt. Zum Glück war der Flug nicht so lang. Dafür war die Zeit am Flughafen Istanbul lang (6 Std.), aber ich hatte gut was zu arbeiten. Wetter draußen war wärmer und nicht so feucht.
Dann kam ich nachts in Tbilisi an und erwischte einen Taxifahrer, der 25 Jahre als Fliesenleger in Dresden gearbeitet hat.
Und dann waren wir schon da. Wir sind ganz leise durch die Nacht geglitten (ich glaube, es war ein E-Auto) mit teilweise über 80 km/h, er blinkte brav obwohl keine weiteren Autos zu sehen waren und ich dachte über Ortsveränderungen nach. Von 2008 auf heute – was für eine Wandlung Tbilisi durchgemacht hat! Auch Delhi hat sich in meinen Jahren z.T. arg verändert (vieles auch nicht), Hamburg und Henstedt-Rhen nicht so.
Wir hatten nach Absprache meine Unterkunftsdame angerufen, sie schaute eifrig verschlafen nach mir, bugsierte mich ins Zimmer und ich fiel dann auch gleich gut schlummernd ins Bett. 03:50 war es und ich 2 Std. im voraus.
Am nächsten Tag ein Blick aus dem Fenster:
Ich war sehr zufrieden mit Lage, es ist leise, sehr sauber und die Familie wohnt hier auch und sie sind sehr nett. Ich machte meine Besorgungen (SIM-Karte – superschnell, Geldtausch – unkompliziert, Bahnticket – für übermorgen), erfreute mich an warmem sonnigen Wetter und zückte selten die Kamera.
Ich finde die Orientierung im erweiterten Stadtzentrum recht einfach und ich finde es auch weiterhin eine angenehme Stadt. Jetzt ein bisschen Politik. Bei meinem letzten Besuch vor 2 Jahren schien mir die Lage klar: Russland ist doof, man sucht Anschluss an den Westen und möchte schon seit Jahrzehnten in die EU. Seit dem Ukraine-Krieg hat sich aber einiges geändert und zwar ganz aktuell. Die Regierungspartei ist „Der georgische Traum“. Und seit einiger Zeit ist man in der Opposition dabei, sie „Der russische Traum“ zu nennen. Georgien liegt gerade richtig günstig zwischen Russland und der Türkei – und wenn Europa Handel mit Russland boykottiert, gehen die Waren eben an z.B. die Türkei und gelangen dann doch nach Europa. So ähnlich wie dass Indien gerne Öl aus Russland kauft und es dann gewinnbringend weiter verkauft. Und so gelangt dann „Boykottware“ trotzdem in den Westen. Das soll Georgien sogar ein Wirtschaftsplus von 10% beschert haben. Sie beteiligen sich auch offiziell nicht an den Sanktionen.
Ich bin echt eine Niete in Wirtschaft und verstehe viel nicht und vielleicht ist es auch nicht ganz korrekt wiedergegeben – aber der momentane Stand meine (vermeintlichen) Wissens. Jedenfalls wird sich definitiv angenähert. GeorgierInnen bekamen Visafreiheit nach Russland und jetzt soll es ab übermorgen schon wieder Flüge zwischen Moskau und Tbilisi geben (wurden 2019 eingestellt). Die Bevölkerung hat allerdings eigentlich weiterhin antirussische Tendenzen. Aber ich vermute mal, dass ihnen Wohlstand auch ganz recht ist. Man sieht hier jedenfalls im Stadtbild antirussische Slogans und die Ukrainefahne oder deren Farben tauchen auch öfters auf.
Präsidentin von Georgien ist Salome Surabishwili, als unabhängige Kandidatin wurde sie von der Partei „Der georgische Traum“ 2018 als erste Frau zum Staatsoberhaupt gewählt. Sie gilt allerdings im Gegensatz zu der Partei als deutlich prowestlich und kritisiert deren Russlandannäherung. Wichtig ist noch, dass seit dem Krieg 2008, wo Georgien Abchasien und Süd-Ossetien abtreten musste, das Verhältnis mit Russland sowieso heikel ist. Bezüglich der Sanktionen sagt sie, es ist politisch für Georgien zu schwierig, diese ganz mitzutragen.
Mir scheint es ein ziemliches Kuddelmuddel und Herumlavieren in dieser besonderen Situation mit den jeweiligen Verflechtungen zu sein. Ich bin gespannt, was das alles noch wird.
Sehr hilfreich fand ich den von einer Freundin geschickten Podcast: https://www.deutschlandfunkkultur.de/georgien-auf-der-kippe-mehr-russen-weniger-eu-traeume-dlf-kultur-bc601811-100.html
Aber leider ist es wie so oft bei mir: ich denke, ich habe etwas verstanden, ich bemühe mich, es wiederzugeben – und merke, dass es doch nicht so eindeutig in meinem Kopf sortiert ist wie gedacht. Ich muss es noch weiter erkunden und geordnet und verstanden bekommen.
Ich habe dafür vielleicht ein bisschen Hilfe bekommen:
Ich wollte ja auch schauen, dass ich Georgien als Reisedestination anbiete und dazu brauche ich eine hiesige Agentur. Und die hab ich diesmal tatsächlich im Internet gefunden! Wir haben uns heute getroffen, 3 Std. geredet – und es passt! Also menschlich – und arbeitsmäßig sind wir auch kompatibel.
Wir trafen uns in der Fabrika, Da hängen einige Leute rum, aber ich kam nicht mehr dazu, viel rumzugucken.
Und jetzt bin ich echt platt und gehe schlafen. Was ich wohl morgen erlebe?