Vayots Dzor – Gebirge, Kirchen und Reiseglück

16.09.2021

Armenien hat Berge – zwar „nur“ den kleinen Kaukasus, aber der reicht definitiv um bei mir einen Wanderwunsch entstehen zu lassen. Ich habe vorher gut recherchiert, war dann aber doch ein wenig überfragt bei der Fülle der Möglichkeiten. Es gibt einige Organisationen, alles NGOs, die sich dem Bergwandern in Armenien widmen. Es wurden und werden Wanderwege erkundet, präpariert, gekennzeichnet und die Leute darüber informiert. Eine der NGOs ist HikeArmenia, die haben ein Büro in Yerevan und da war ich zur Beratung. Sehr sehr nett!

 

Wir kamen überein, dass für den Start eine Zweitagestour mit je einer Extrawanderung davor und danach in der Provinz Vayots Dzor das Beste wäre. Danach mal weiterschauen. Und so setzte ich mich am nächsten Tag als ungefähr 4. Passagierin in einen Minibus und wartete über 1 Std., bis der Wagen voll war und wir dann die 150 km nach Vayk brausen könnten. Unterwegs gab es einen Blick auf den Ararat:

 

Ararat in der Ferne

Ich wollte in Old Martiros starten – da gibt es keine offizielle Unterkunft, aber Hamlet und seine Frau Gohar, die hatten auch schon die PfadbereiterInnen beherbergt. Sie holten mich in Vayk ab. Aus einem ausrangierten Armee Kleinlader sprangen die beiden raus und grinsten ein kleines bisschen hilflos, da sie nicht englisch sprechen. Und dann – oh Wunder – kramte Gohar einige deutsche Wörter hervor! Wir tuckerten zu ihrem Sommerhäuschen, eines von 5 noch bewohnten Anwesen in Old Martiros. Und da bekam ich erstmal einen Tisch voll Kaffeeleckereien.

 

Kaffeetafel

 

Hamlet und Gohar

 

Sie erstaunten mich aber mit einer weiteren Übersetzungshilfe! Das Handy wurde mit auf den Tisch gestellt und aus dem sprach eine weitere Stimme deutsch mit mir: Tochter Liana, die in Deutschland u.a. Journalistik studiert hatte. Die lernte ich später auch noch in real kennen: tolle Frau mit sehr liebevollen Eltern. Familie = Reiseglück

 

Dann scharrte ich aber mit den Füßen bzw. sprang auf zum Old Martiros Trail, einem 6,5 km Rundweg. Der führte mich zuerst zur Dorfkirche:

 

Dorfkirche in Old Martiros

 

Da war viel beeindruckendes anzuschauen, z.B. allein schon die Tür

 

Kirchentür

 

Eine Frau war schon vor mir in dein Kirche gehuscht bzw. hat sie aufgeschlossen, damit ich sie anschauen konnte. Das Highlight war eine liegende heilige Figur. Die Frau rieb mit ihrer Handfläche darüber und dann über meinen Rücken. Mehrfach. Das hatte etwas sehr liebevolles = Reiseglück

 

Liegefigur zum reiben

 

(Wer mich kennt weiß, dass ich eigentlich ziemlich allergisch auf Christenkram reagiere, aber das hier fand ich tatsächlich schön)

Dann eilte ich aber weiter – und verhedderte mich zuerst, weil ich mich auf die Wegmarkierungen noch nicht so ganz eingestellt hatte

 

Kein Weg

 

Aber dann fand ich den richtigen Pfad und erfreute mich an dem weiten Blick

 

Weiter Blick

 

Nächstes Highlight war der Chumov Lake. Leider weder zum baden noch überhaupt zum Füße reinhalten, zu schlammig am Ufer. Aber sowas von hübsch und auch unerwartet in der eher ausgetrockneten Landschaft.

 

Am Ufer des Chumov Lakes
Chumov Lake von bisschen weiter weg

 

Und dann ging es weiter zum nächsten Highlight mit Reiseglück. Hinter diesem Minieingang:

 

Eingang

 

verbarg sich eine große Höhlenkirche!

 

Altarraum

 

Und dann kam direkt auch ein Teil einer davor picknickenden Familie rein und zündete Kerzen an

 

Kerzenanzündende

 

 

Ich bekam auch 2 Kerzen in die Hand gedrückt. Ich habe sie angezündet für alle Leute, die Stress mit Corona haben – egal auf welche Weise.

 

Kerzen

 

Wir haben auch ein Gruppenphoto von denen gemacht

 

Freudige Menschen

 

Kleine Anekdote am Rande: auf der Rückfahrt nach Yerevan traf ich einen, der davon wusste – dem hab ich dann auf Wunsch das Bild per WhatsApp geschickt.

 

Ich wurde auch zu deren Picknick eingeladen. Da waren noch mehr Leute, die an einem langen Tisch saßen, welcher dort permanent für solche Gelegenheiten aufgebaut war. Die Älteren blitzten mich mit ihrem ganzen Gold im Mund freudestrahlend an und schoben mir massig Essen hin und nach enttäuschtem Geseufze, dass ich partout weder Vodka noch Wein noch Bier wollte gab es auch noch Fanta.

 

viel Essen

 

Ich wusste, dass ich noch ein Essen vor mir hatte und war so sehr glücklich, sehr fettes Fleisch mit Kartoffeln ablehnen zu können. Aber von den anderen Sachen musste ich doch was nehmen. Wir redeten armenisch, russisch, deutsch, englisch und händisch.

 

Und dann musste auch schon weiter, damit ich rechtzeitig zum richtigen Abendessen wieder bei Hamlet und Gohar war. Da wurde auch nochmal gut aufgetischt. Und später ging ich ins Bett mit einem Bauch ganz voll von Reiseglück.